Fake-Theatre

■ Kampnagel: Auf geistiger Wanderschaft mit den BAK-Truppen bei „Tonight“

Ein wenig herrscht die Atmosphäre von einer Geburtstagsparty, bei der das Geschenk aus einer improvisierten Vorstellung der besten Freunde besteht. Der Boden der Halle ist mit Teppichen ausgelegt, auf denen das zahlende Publikum, sozusagen als Hort der Geburtstagskinder, sich niedersetzt. Am Ende der Halle stehen vier Klaviere, auf dem Boden davor liegt etwas technisches Gerät herum. Der Übergang vom Foyergespräch zum Theater ist fließend, der Raum ist offen und die Bar geöffnet. Irgendwann beginnen die netten Menschen den Abend.

Die norwegischen BAK-Truppen arbeiten nicht so, wie wir uns das vorstellen. Da wird kein gigantischer Aufwand betrieben, um psychologische Feinheiten für Momente sichtbar zu machen, da steht kein Text als Monolith, da wird nicht einmal versucht, ein echtes Produkt zu erzeugen, das die Bezeichnung Theater im Sinne gefälliger – auch alternativer – Konventionen erringen möchte. Die Mythen besagen, daß die Mitglieder sich gelegentlich treffen, um dann lange miteinander zu diskutieren, aber bis zum Vorstellungsabend eigentlich noch nicht wissen, was sie spielen werden.

Das kann natürlich nicht ganz stimmen und eine grundsätzliche Dramaturgie und Struktur besitzt Tonight selbstverständlich. Aber um zu beschreiben, was passiert wäre die Bezeichnung „Offenes Feld einfacher Möglichkeiten“ in ungefähr treffend. Die sieben Anwesenden, die ein wenig wie die Village People des Theaters gekleidet sind, tragen spielerisch Material zu einigen Stichwörtern zusammen und geben sich nicht die Mühe der Vollendung. „Interaktion“, „Kampnagel“, „Landschaften“ und „Kommunikative Netze“ sind die vordringlichsten dieser Stichwörter in Tonight, die mit Overhead-Malereien, dilettierenden Slapsticknummern, Liedern, verstimmten Klavieren, kurzen Spielszenen und poetischen Textvorträgen in viele kleine Blumen und lustige Stilblüten zerteilt und dann gesammelt werden.

So entsteht eine Art Real-World-Anti-Comedy-Comedy, deren innere Bezüge gleichzeitig offensichtlich und geheimgehalten sind. Das ergibt einen netten Spaß für Inhaber eines intellektuellen Humors, die diese Art von Fake-Theatre in ihrer freundlichen Unbekümmertheit mit Sicherheit zu genießen wissen. Nur schade, daß es just vorbei ist, wenn man sich gerade mit auf die geistige Wanderschaft begibt. Mehr wäre hier eindeutig mehr. Till Briegleb