Große Worte des kleinen Vorsitzenden

■ Gregor Gysi auf PDS-Wahlkampftour in Hamburg

„Ich mußte mich vier Jahre an den Kanzler gewöhnen, jetzt muß er sich an mich gewöhnen“, freut sich der kleine Mann in dem großen blauen Mantel: „Billiger ist die Einheit nicht zu haben“. Gregor Gysi ist auf seiner Wahlkampftour ein paar Stunden vor Helmut Kohl in Hamburg angelangt. Vor rund 600 ZuhörerInnen hangelt er sich am Gänsemarkt mit wohltemperierter Stimme und wohlgesetzten Pointen anderthalb Stunden durch den Gemischtwarenladen bundesdeutscher Politikfelder. Er redet sich in Fahrt und seine ZuhörerInnen schwindelig. Tenor: „Der Kapitalismus hat nicht gesiegt, er ist nur übriggeblieben“.

Nur allzu gelegen kommen ihm die scharfen Attacken gegen die SED-Nachfolgepartei, um schon daraus deren Existenzberechtigung nachzuweisen. Breitseiten gegen die Union, Nadelstiche gegen die Grünen, die für Gysi allzu ungehemmt nach Machtbeteiligung hecheln und hinter ökologischen Themen „die soziale Frage gerne vergessen“.

Klare Abgrenzung aber auch gegenüber der RAF: „Aus der Ermordung einzelner Menschen kann politisch nichts Fruchtbares folgen“, gibt Gysi zu bedenken, um gleich darauf Haftbedingungen und Begnadigungen für die militanten Linken zu fordern, „wie es sie auch für jeden anderen Mörder gibt“. Überhaupt müsse sich die Linke „von jeder Avantgarde-Theorie“ abgrenzen: „Wir können der Mehrheit nicht unseren Willen aufzwingen, sondern müssen überzeugen“.

Gregor Gysis Rhetorik kommt an. „Verständlich, witzig und informativ“, lobt ein Zuhörer die Rede. Die SPD ist für die meisten, die Gysi hier lauschen, sowieso nur „eine farblose Kopie der CDU“. Neben Alt-DKPisten und Junglinken haben sind vor allem enttäuschte Grüne gekommen. „Die PDS kann werden, was die Grünen vor zehn Jahren mal war“, wünscht sich eine Zuhörerin, ein anderer sieht ihre Funktion als „neues Sammelbecken der Linken“. Die Grünen jedenfalls seien durch ihre „Ausgrenzung der PDS“ sowieso „auf dem linken Auge längst blind“. Marco Carini