Ausländer-Räte

■ Trüpel-Ressort beginnt breite Debatte um Schaffung gewählter Repräsentanten

Von allen ausländischen Mitbürgern gewählte „Ausländer-Räte“ sollen eingerichtet werden, so steht es in der Koalitionsvereinbarung unter dem Stichwort „Demokratisierung“. Wenn Ausländer schon kein Wahlrecht haben, sollen sie wenigstens eine „Stimme“ haben, die durch Wahlen legitimiert ist, das war die Überlegung. In größeren Städten in Hessen, Nordrheinwestfalen und Niedersachsen gibt es das bereits.

In Bremen haben viele Vertreter der organisierten ausländischen Gruppen im November 1992 diese von den Grünen eingebrachte Idee abgelehnt. Das sei nur eine Alibi-Verstaltung, so die Begründung. Die bisherige Interessenvertretung durch den Dachverband (DAB) habe sich zudem bewährt. „Manche fürchteten vielleicht auch um ihre Einflußzonen und Pfründe“, interpretiert die für Ausländerintegration zuständige Senatorin Helga Trüpel die ablehnende Haltung.

Der Bremer Finanzsenator konnte zufrieden sein: Allein der Wahlvorgang hätte 1-2 Mio. Mark gekostet, und Haushaltsmittel für die Ausländer-Räte waren überhaupt nicht eingeplant.

Hinzu kam, daß die Leiterin der Zentralstelle, Dagmar Lill, dem DAB verpflichtet war und die Sache nicht besonders vorangetrieben hat. Inzwischen hat sich die Situation verändert, auch unter der türkischen Bevölkerung Bremens, die mit 28.000 Köpfen die größte Gruppe ausmacht, sind ganz unterschiedliche Stimmen zu hören. Die Senatorin will es genau wissen und hat deshalb einen „Ideenwettbewerb“ gestartet: 180 Organisationen und Vereine werden angeschrieben und sollen bis Ende November ihre Antwort auf die Frage geben, ob ein Ausländer-Rat sinnvoll ist und mit welchen Rechten und Finanzmitteln er ausgestattet sein sollte. Wenn nach einer breiten Auseinandersetzung das grundsätzliche Interesse da ist, womit die Senatorin rechnet, dann würde die allgemeine politische Debatte um das Thema in den Wahlkampf im Frühsommer 1995 fallen. Denn über die Ausstattung von Ausländer-Räten sagt die Koalitionsvereinbarung nichts. Wenn man davon ausgeht, daß die SPD mit der bisherigen Struktur und dem Dachverband, der mit ABM-Stellen und 700.000 Mark Landesmitteln finanziert wird, seit 10 Jahren gut gefahren ist, dann folgt daraus, daß zusätzliches Geld für einen gewählten Ausländer-Rat erst von einer neuen Landesregierung zur Verfügung gestellt werden kann – sofern im Wahlkampf entsprechende Versprchungen gemacht werden mußten. „Parallel zu den Bürgerschaftswahlen“, so rechnet Trüpel, würden auch die Kosten für den Wahlakt geringer ausfallen.

Wie bei jeder demokratischen Wahl ist natürlich vollkommen offen, wer als Sieger daraus hervorgehen wird. Die Senatorin persönlich würde sich wünschen, daß es keine Nationalitätenlisten gibt, sondern „multikulturell“ zusammengesetzte Listen nach politischen Farben. Offen ist auch die Frage des Minderheitenschutzes oder des Wahlrechts für BremerInnen ausländischer Herkunft, die die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen haben. K.W.