Durchs Dröhnland
: Auf die alten Tage

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Was soll man lange erzählen über Oi-Musik. Vielleicht höchstens, daß es auch heute noch, wo sich die Gut-Böse-Grenzen so aufdrängen, linke Skinheads und somit linken Oi gibt. Oi!-Polloi sind nun ganz und gar nicht kahlgeschoren und spielen auch nur den Punkrock von vor bald 20 Jahren, aber unsere schottischen Freunde sind eben halt auch schon fast so lange dabei.

Am 30.9. um 21 mit Police Bastard (GB) im Thomas-Weißbecker-Haus, Wilhelmstraße 9, Kreuzberg

Die nette kleine Dreistigkeit, eine neue Platte schlicht „Greatest Hits“ zu nennen, charakterisiert Too Strong fast schon zu gut. Als Zentrum der Dortmunder Soli-Nation kommt man aus einer der am besten funktionierenden Posses in der BRD, und das Selbstbewußtsein ist wohlbegründet. Obwohl natürlich keine Bestseller-Kollektion, vermittelt „Greatest Hits“ tatsächlich einen ebensolchen Eindruck und rutscht mal hierhin, mal dorthin in der Zeit. Zwar wird größtenteils in deutscher Sprache gerappt, aber Too Strong bekennen sich zu ihren Einflüssen und rocken das Haus auch schon mal auf englisch. Da finden sich smoothe, dem JazzHop entlehnte Beats neben steifem Elektrogeblubber Kraftwerkscher Prägung. Da schmeicheln freundliche Melodien und gesampelte Hängerbläser, aber schneiden auch kratzige Scratches und dozierendes Rapping. Am überzeugendsten sind allerdings die deutschen Sprechgesänge, sympathisch in ihrer ungelenken Direktheit. Wählt die Stimme das englische Idiom, stellt das Ohr automatisch Vergleiche an, und um denen zu genügen, fehlt Too Strong noch eine kleine Portion Professionalität. Unschlagbar aber natürlich das Sample von „Kung Fu Fighting“.

Am 30.9. um 22 Uhr im Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg

In einer Zeit, in der sich jeder zweite Song im Radio wie die neue Single von Pearl Jam anhört, muß man dankbar sein, wenn eine Band dem offenbar völlig ausgelutschten Konzept Alternative Rock noch etwas Neues abgewinnt. Auch wenn das, was Peach ergründen, auch nicht eigentlich neu ist, haben sie aber immerhin eine bislang noch nicht verwendete Farbe aus den Siebzigern gefunden. Ihrem behäbig dümpelnden Hard Rock, der allerdings auch hauptsächlich an die inzwischen zu Tode kopierten Black Sabbath und Led Zeppelin erinnert, fügen sie zwar wenige, aber nicht zu überhörende Ausflüge in den Experimentalrock vergangener Jahre bei, was in einer King- Crimson-Coverversion gipfelt. Das Experimentelle an Peach findet allerdings weniger im Jazz, sondern eher in einem leichten Verschieben von Gitarrenklängen statt. Peach sind eben nicht aus einem Guß, eben nicht die satten Rocker, die sie auch sein können. Peach sind eindeutig die Lösung für Menschen, die sich an den Steintempelpiloten dieser Welt sattgehört haben, aber trotzdem nicht vom Gitarrenrock lassen wollen.

Am 1.10. auf der wiedereröffneten Insel, Am Treptower Park, Treptow

Abwärts haben sich in den letzten Jahren langsam, aber stetig von Altherrenpunkrockern zu ganz normalen Rockern entwickelt, ohne den Erfolg der Kollegen mit den längsgestreiften Hosen zu provozieren. Die Texte von Frank Z. gehörten schon immer zu den besseren, auch wenn sie im Zeitalter des deutschen Assoziativreims manchmal etwas antiquiert wirken, vor allem wenn Herr Z. das allgemein Beklagenswerte noch einmal beklagt und dabei arg moralinsauer wird. Doch der gute Wille zählt, und vielleicht entwickeln sich Abwärts ja tatsächlich zur liebenswerten Alternative zu den Lages und Maahns dieser Republik.

Am 1.10. um 22 Uhr im SO 36, Oranienstraße 190, Kreuzberg

Noch etwas jünger als Abwärts sind sie zwar, aber schon lange zählen Tarnfarbe und Mentally Damaged zum bundesdeutschen Punk-Adel. Während Tarnfarbe eher das tradionelle Uffta-Uffta bevorzugen, bemühen sich Mentally Damaged um rhythmische Abwechslung, schlagen in ihrem Hardcore allerdings ein heutzutage recht gemütliches Tempo an, doch allzuviel melodische Nettigkeit wischt meist die bemüht böse Stimme weg. Mentally Damaged spielen das, was man von einem Hardcore-Trio erwarten darf. Nicht weniger, aber leider halt auch nicht viel mehr.

Am 2.10. um 22 Uhr im K.O.B., Potsdamer Straße 157, Schöneberg

Wo wir schon mal dabei sind, darf auch definitiv blaues Blut in unserer Punkparade nicht fehlen. Bad Religion haben es geschafft, sich mehr als eine Dekade lang nicht im geringsten zu verändern. Steinalt wie ein Mittelgebirge und ebenso beweglich, spielten sie immerzu denselben einen schnellen Punksong mit demselben Mitsingrefrain zum rituellen Stagediving. Doch manchmal geschieht das Unfaßbare, wenn auch nur schleppend. Erst neulich haben unsere fünf Freunde aus Los Angeles einen zweiten Song geschrieben, der doch tatsächlich ein wenig langsamer ist. Und „Infected“ wurde auch noch ein Hit und aus dem lang und hart erworbenen Kultstatus plötzlich Chartpotential. Und das auf ihre alten Tage. Aber immerhin gibt einem das Anlaß zur Hoffnung, daß es in der Welt doch noch ein wenig gerecht zugeht, wenn es einmal doch die Richtigen trifft.

Am 4.10. in Die Halle, An der Industriebahn, Weißensee

Also diesmal wirklich kein böses Wort über die Gebrüder Schumacher, die nehmen das immer so persönlich. Der international versierte Rock (s.a.o. und Pearl Jam et al) ihres inzwischen nicht mehr so neuen Trios Gum fügt dem Genre nichts hinzu, was das alte Trio No Harms nicht schon erreicht hätte. Sven Schumacher hat immer noch eine der besten Rockstimmen der Stadt, und jede jugendliche Weichheit und Kitschanfälligkeit früherer Zeiten ist getilgt. Wenn sie damit nicht Stars werden, gelingt ihnen das nimmermehr.

Am 4.10. um 20.30 Uhr im Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg

Nun zu jenem Jahrzehnt, das unverdientermaßen in letzter Zeit hinter den Siebzigern zurückstehen muß. The Grip Weeds haben ihre Wurzeln ganz eindeutig in den goldenen Sixties, was vor allem in flirrendem Gitarrengedängel und harmonischem Männergesang ans Ohr dringt. Der treffendste selbstgewählte Vergleich sind Big Star, mir fallen natürlich noch die Byrds ein. Ohne allzu rückwärtsgewandt zu sein, gelingen ihnen haufenweise hübsche Perlen.

Am 4.10. um 21 Uhr mit The Groovy Cellar im Huxley's Junior, Hasenheide 114, Neukölln

Mehr in der Jetztzeit, aber ebenfalls ohne die Sechziger undenkbar sind immer noch Throw That Beat In The Garbagecan!. Das Nürnberger Quintett wurde von Oberblödel Klaus Cornfield zwar umformiert, glänzt aber immer noch mit kindischen Chören, hellen Gitarren und Pilzköpfen. Auch im Fränkischen bereitet man sich auf größere Aufgaben vor und nannte das aktuelle Album schon mal vorsorglich „Superstar“. Wenn sie es sich lange genug einreden, funktioniert es vielleicht ja mal wirklich.

Am 6.10. um 20.30 Uhr im Loft Thomas Winkler