Kreuzberger Bosse kündigen Belegschaft

■ Bosse Telekomsysteme GmbH geht in Konkurs / Fehler im Management / Verlust von 15 Millionen Mark für 1994

Nach herben Fehlern im Management will ein weiteres westdeutsches Unternehmen seinen Berliner Standort schließen. Gestern schickte die im Bezirk Kreuzberg ansässige Firma Bosse Telekomsysteme GmbH sämtlichen 206 Beschäftigten die Kündigungsschreiben. Ein Sozialplan existiert bislang nicht. Das Unternehmen, das Telefone und Kommunikationsanlagen für die Post-Nachfolgerin Deutsche Telekom herstellt, rechnet für 1994 mit einem Verlust von 10 bis 15 Millionen Mark. Die nach Angaben des Betriebsrats ohnehin unrealistische Umsatzerwartung für das laufende Jahr mußte von 47 auf 36 Millionen nach unten korrigiert werden.

Bosse-Betriebsratsmitglied Fredy Stahnke sagte der taz, daß die Talfahrt des Unternehmens mit Sitz in der Reichenberger Straße durch Fehlentscheidungen des Managements verursacht worden sei. Nach der Privatisierung der Post hätten sich die Geschäftsführer nicht auf die neuen Verhältnisse am Markt einstellen können. Während die Post früher regelmäßig Aufträge für Telefone und Zubehör erteilte, sei es der Firmenleitung nach der Telekom-Privatisierung nicht gelungen, aus eigener Initiative konkurrenzfähige Angebote zu unterbreiten. Außerdem habe Bosse den rechtzeitigen Anschluß an die neue digitale Telefon-Technologie ISDN verpaßt. „Die Eigentümer sind einfach dusselig“, so Stahnke.

Ein weiterer Grund für den Konkurs: Die Bosse-Bosse pflegen einen Wasserkopf aus Managern und leitenden Angestellten. Auf etwa sechs Beschäftige in der Produktion kommt ein Verwaltungsmitarbeiter. Im übrigen habe die Geschäftsführung im Februar 1993 Vorschläge des Betriebsrates ignoriert, eine gemeinsame Arbeitsgruppe ins Leben zu rufen, um sowohl die Produktionspalette als auch die Organisationsstrukturen zu renovieren, erklärte Fredy Stahnke. Bereits seit 1987 wurde das Personal in Kreuzberg von einst 870 Beschäftigten kontinuierlich mittels Sozialplänen reduziert.

Offenkundig wurde die Bosse- Krise Anfang September, als einer der beiden Geschäftsführer, Manfred Boelcke, das Firmengrundstück, auf dem die Gebäude stehen, aus dem Betriebskapital herauslösen wollte. Die Banken wurden hellhörig und kappten die Kredite. Resultat der nicht mehr vorhandenen Zahlungsfähigkeit war der Antrag auf Eröffnung des Konkurses vom 7. September.

Der Betriebsrat forderte gestern, die Kündigungen zurückzunehmen, weil sie wegen mangelnder Beteiligung der ArbeitnehmervertreterInnen rechtswidrig seien. Möglicherweise könnten zumindest Teile der Produktion aufrechterhalten werden. Ein denkbares Modell: Das Bosse-Grundstück wird verkauft und der Erlös für die Sanierung verwendet. Zusammen mit den BetriebsrätInnen kümmern sich das Bezirksamt und die Wirtschaftsverwaltung bereits seit geraumer Zeit um Berliner Investoren, die die Bosse GmbH weiterführen könnten. Hannes Koch