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■ Press-SchlagArmer Franz

Marcel Reif wird einen gehörigen Schrecken bekommen haben, beim Anblick des Kasperletheaters, das seine künftigen Kollegen in der mit soviel vorschüssigem Eigenlob bedachten Champions- League-Sendung von RTL veranstalteten, und Franz Beckenbauer konnte man das nackte Entsetzen förmlich an den Lippen ablesen. Doch mitgehangen, mitgefangen. Wer so wenig sorgsam in der Wahl seiner Geschäftspartner ist wie Kaiser Franz-in-allen-Gassen, muß sich nicht wundern, wenn es am Ende ganz dick kommt.

„DIE ANALYSE“, kündigt ein pompöser Werbespot den Auftritt Beckenbauers in der Halbzeit und nach Schlußpfiff der Partien von Bayern München in Europas Eliteliga an, „der Mann, der mehr sieht als alle anderen.“ Doch kaum hat der Kaiser seine tiefschürfende Analyse mit einigen allgemeinen Sätzen eingeleitet und schickt sich an, zum Punkt zu kommen, quakt ihm ein vorlauter Moderator Günther Jauch dazwischen und erzählt erst mal, was er alles gesehen hat. Und bevor Beckenbauer noch einmal Luft holen kann, werden in rascher Folge Spielszenen eingeblendet, und dazu darf „DER ANALYTIKER“ dann erzählen, was alle schon gesehen haben.

Das war's dann, auf zum gemütlichen Teil. Auftritt: Thomas Gottschalk, der inzwischen aussieht wie der tote Vitas Gerulaitis. Endlos darf er mit seiner fußballerischen Ignoranz kokettieren, Fotos der dekolletébewehrten Besucherinnen seiner späteren sogenannten Show in die Kamera halten, mit Jauch ein paar dümmliche Männerwitze wechseln, und plötzlich brechen alle Dämme: minutenlang führen sich die beiden auf wie Sechsjährige bei einem Kindergeburtstag nach acht Stunden Topfschlagen. Unwillkürlich befürchtet man, daß sie gleich anfangen, vor laufender Kamera Fangen zu spielen.

Genau dies scheint auch Beckenbauer zu argwöhnen, der mühsam die Contenance wahrt, dessen Lippen aber langsam so verkniffen sind wie in seinen Zeiten als Teamchef oder Trainer von Bayern München, wenn seine Mannschaft einem ungefährdeten Sieg entgegensteuerte. Ein wahres Wunder, daß am Schluß immerhin noch einige Sekunden übrig sind, um die Tore der anderen Spiele im Schnelldurchlauf zu zeigen. Aber was schert uns Fußball, wenn wir die Chance haben, eine Sendung zu machen, gegen die „ranissimo“ gehobene Unterhaltung darstellt.

Momentan habe er viel zu viele Verpflichtungen, um Präsident von Bayern München zu werden, sagte Beckenbauer, nachdem eine tumbe TED-Umfrage ihm immerhin den zweiten Platz hinter Gottschalk, aber vor Rummenigge und Scherer eingebracht hat. Noch ein paar solche Sendungen, und er wird überall Präsident, nur um möglichst weit von Gottschalk und Jauch wegzukommen. Matti Lieske

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