„Staub wischen muß ich noch“

■ Der Geschäftsführer eines schwulen Sexshops findet seinen Laden „nicht gerade lustig“. Und gibt Auskunft über scheue Kunden, Verkaufsschlager und verklemmte Deutsche.

taz: Sagen die Leute, die zu Ihnen kommen, „Guten Tag“?

Till Mackens*: Nicht immer. Manche begrüße ich mit einem „Hallo“. Die sind dann oft erschreckt und gucken auf.

Sie nehmen den Kunden die Scheu.

Manche haben Scheu. Es kann sein, daß jemand schüchtern ist und meint, er kann den Dildo nicht kaufen, weil hier noch zwei Mann mehr stehen, die das beobachten könnten. Die bewegen sich dann am Regal, nehmen den Dildo in die Hand, legen ihn wieder weg. Der wartet so lange, bis es hier wieder ein bißchen frei ist. Dann legt er den Dildo hin und bezahlt.

Kommen auch Frauen in Ihren Laden?

Ja, aber das sind fast immer Lesben. Die kaufen Gummis, Gleitcreme, Vibratoren.

Gibt es den typischen Sexshop- Kunden?

Nein. Zu mir kommt jeder zwischen 18 und 80. Auch im Rollstuhl.

Beraten Sie Ihre Kunden?

Ja, preismäßig, ob ein Cockring paßt. Soweit man eben beraten kann.

Kann man beraten?

Schlecht. Denn alles in diesem Laden ist Geschmackssache. Wenn ich zum Beispiel sage, der Film ist gut für mich, dann heißt das noch lange nicht, daß der auch dem Kunden gefällt. Das muß er selber entscheiden. Das ist wie mit Teigwaren, die man sich kauft. Oder einverleibt.

Wie viele Videofilme haben Sie im Angebot?

Zwischen 450 und 500.

Haben Sie die alle gesehen?

Um Gottes willen, nein!

Warum nicht?

Weil ich da nichts dran finde. Es ist immer dasselbe.

Nach welchen Kriterien kaufen Sie dann die Filme ein?

Die Neuangebote kommen automatisch über den Großhändler, die nehmen wir erst mal unbesehen. Wir wissen außerdem, was unser Publikum verlangt. Was wir denen nicht zumuten können, geben wir zurück.

Was wollen Ihre Kunden sehen?

Filme mit ein bißchen Handlung. Wenn da einer steht, sich stundenlang einen runterholt und wichst und wichst, dann ist das langweilig. Filme aber, die ein bißchen Niveau haben, kommen immer gut an.

Gibt es Waren, die Sie besonders gut verkaufen?

Es gibt Sachen von Pornostars wie etwa Jeff Stryker. Dessen bestes Teil wurde vermarktet in Form von Gummi, also als Dildo. Der lief gut. Einige kamen wieder und sagten: „Der paßt.“

Der paßt?

Na ja, nicht zu groß, nicht zu klein, er ist gut. Paßt eben.

Gibt es den in verschiedenen Größen?

Nein, was Sie hier sehen, ist das Original. Eine Nachbildung eben.

Im Maßstab 1:1?

Man munkelt, der ist etwas länger gemacht worden.

Der sieht ziemlich lang aus.

Der ist lang genug. 19 Zentimeter. Eigentlich normal.

Gibt es etwas, was nie aus der Mode kommt?

Was nie aus der Mode kommt, ist, daß jeder Homosexuelle einen Dildo zu Hause haben sollte.

Ich habe keinen.

Sind Sie homosexuell?

Ja.

Ich habe auch keinen.

Sind Sie homosexuell?

Ja (lacht).

Sind Menschen, die in einen Sexshop gehen, einsam?

Nein, gar nicht. Ich glaube, jeder war schon mal in einem Sexshop. Vielleicht ist einer unter hundert traurig und kommt deswegen. Aber lustig ist es hier ja auch nicht.

Gehen immer mehr Menschen in Sexshops, weil sie aus Angst vor Aids Körperkontakt scheuen?

Aids kann man sich hier auch holen. Oder auf der Klappe, im Busch, in der Sauna, in jedem Schwimmbad. Wenn man Kontakt sucht, ihn findet, und es kommt zu sexuellen Handlungen, kann man sich überall Aids holen. Das ist das Risiko heutzutage. Wenn man damit bewußt umgeht, holt man sich das auch nicht. Safer Sex.

Welchen Reiz üben Sexshops aus?

Man tritt durch den Vorhang und taucht in eine andere Welt ein. Manche gehen rein, ohne etwas zu erwarten, manche gehen mit Erwartungen rein, und die werden nicht erfüllt. Gehen Sie ohne Erwartungen rein, dann werden Sie überrascht sein, was es so alles gibt.

Ist die Atmosphäre in Ihrem Laden für Sie wie eine andere Welt?

Kann ich nicht sagen. Ich stehe ja jeden Tag hier.

In Deutschland haben Sexshops etwas Anrüchiges.

Dann sind die Leute verklemmt.

Sind die Deutschen verklemmt?

Kommt auf die Region an. In Bayern, Nordrhein-Westfalen und im Saarland sind sie schon etwas verklemmter. Aber es liegt ja nicht nur an den Leuten, sondern auch daran, wie ihnen was beigebracht wurde. Man geht ganz anders in so einen Laden, wenn die Eltern beim Baden nackt waren, als wenn sie sich immer mit vorgehaltenem Handtuch vor ihren Kindern versteckt haben.

Wie funktioniert ein Schwanzvergrößerer?

Sowas gab es schon achtzehnhundertnochwas. Sie stülpen die Kunststoffglocke über den Schwanz – früher war die aus Glas –, dann pumpen sie die Luft ab und es entsteht ein Vakuum. Dadurch vergrößern sich die Blutgefäße, und der Schwanz wird größer.

Für immer?

Die Vergrößerung hält noch eine Weile an. Ich habe einen Kunden, der auch die allerneuesten Modelle mit Strom ausprobiert hat. Der meint, das hilft wirklich. Die Männerwelt probiert ja immer an ihrem besten Teil herum, um das Ding größer zu kriegen. Die Amerikaner wollen jetzt sogar ihre Vorhaut wieder zurückhaben.

Die Vorhaut zurückhaben?

Die sind doch alle beschnitten. Es gibt eine Gruppe in New York, die für die Vorhaut kämpft.

Wenn Sie nach der Arbeit nach Hause gehen, haben Sie dann noch die Bilder im Kopf, die Sie hier sehen?

Nein, ich schalte ab. Auch beim Arbeiten. Man guckt hier rum, das sind bunte Bilder, und dann ist gut. Dann sieht man, ach Gott, da muß ich mal wieder Staub wischen. Ich habe nicht nur Schwänze im Kopf.

Interview: Thorsten Schmitz

*Name von der Red. geändert