Da weiß man, was man hat

■ Sex mit der Ex: Gefühls-Recycling oder lesbische Avantgardebeziehung? Die Psychologin warnt: Häufig tarnt sich Liebesbedürfnis als Triebhaftigkeit

Geben wir bei aller Toleranz zu: In der Lesben-WG war es bisweilen schon verwirrend, wenn die nach Monaten unter Heulen und Zähneklappern getrennten Ex-Loverinnen plötzlich aus Nachbarins Zimmer Quieklaute wie zu besten Zeiten produzierten. Und weiterhin behaupteten: Nö, wir sind getrennt. Das Phänomen ist weit verbreitet: „Wenigstens das haben wir den Heteras voraus“, frohlocken nicht wenige – und der Sex mit der Ex mausert sich plötzlich vom Teil einer Trennungsgeschichte zum eigenständigen Modell zwischenlesbischer Beziehungen. Sind Lesben wirklich da, wo sie sich sehen wollen – als traditionelle Beziehungsmuster aufbrechende Vorreiterinnen? Gar auf dem Weg zur frei fließenden, allumfassenden Liebesenergie?

Eine selbstredend nicht repräsentative Umfrage in einer homosexuellen Gaststätte ergab, daß von sieben Befragten fünf es tun und zwei nicht.

Die Tatsache, daß in der Befragungssituation mehrere Vertreterinnen der „Ja, ja, ja“-Gruppe verträumte Augen und rote Wangen bekamen, 50 Prozent der „Nein“- Gruppe hingegen vor Schreck ein Whisky-Glas umwarfen, mag ein wenig die Polarisierung in dieser Frage verdeutlichen. „Wenn ich eine Liebesgeschichte wirklich abgeschlossen habe, werde ich einen Teufel tun und mit Sex alte Wunden oder Sehnsüchte wieder aufreißen“, sagt eine Contra-Fraktionistin. Das Gegenargument der Befürworterinnen: Lesbische Beziehungen sind einfach anders, und selbst wenn die Liebesbeziehung vorbei ist, bleibt mehr – mehr Vertrauen, mehr lebenslängliche Zuneigung und mehr Erotik. Nach dem Motto „Warum sich was Schönes verkneifen?“ geht es dann ab ins Bett. Angeblich just for fun. Und: „Da weiß man, was man hat. Es ist doch immer wieder ein Wagnis, sich auf Sex mit einer Neuen einzulassen“, so eine Befürworterin. Fragt sich, wenn wir niemandem pure Bequemlichkei unterstellen wollen: Wieviel Gewohnheit brauchen Lesben, um Spaß zu haben?

Einen heftigen Kratzer auf das Wunschbild der frei fließenden Hormone macht auch die Psychologin Christa Schulte: „Die meisten reden sich doch nur ein, sie seien triebgeritten. Oft geht es gar nicht um den Sex, eigentlich wollen sie etwas anderes aus der Beziehung wiederhaben.“ Für die Psychologin liegt die Ursache in der Schwierigkeit von Frauen mit dem Abschiedsprozeß: „Frauen machen selten klare, saubere Schnitte. Und zu einem Nichtloslassenkönnen gehört auch, Teile der alten Beziehung immer wieder aufzukochen.“ Manchmal nach Jahren noch. Die Verletzung folgt dann oft auf dem Fuße, wenn die andere trotz der heißen Nächte sich doch nicht wieder öfter verabreden will. „Schwierig“, gibt dann auch eine Befürworterin zu, „wird es in der Tat, wenn noch andere Liebesgeschichten oder Affären im Spiel sind.“

Obendrein hält der Recycling- Sex oft nicht, was die Recycling- Beziehung verspricht: „Ich hätte manche lieber in besserer Erinnerung behalten“, sagt eine (mittlerweile) Gegnerin. Wenn wir bedenken, daß viele Lesben kaum Sex mit derjenigen haben, die eines Tages ihre Ex sein wird, bleibt letztlich also nicht mal der einzige begrüßenswerte Grund bestehen: die Steigerung des lesbischen Sexlebens als solchem. Susanne Kaiser