Gemeingefährliche Asbest-Sanierung

In einer Wohngegend in Buchloe (Ostallgaü) wurde am Mittwoch abend Asbest-Alarm ausgelöst / Anwohner in Angst und Schrecken / Inhaber von „Pfusch“-Firma abgetaucht  ■ Aus Buchloe Klaus Wittmann

Ein skurriles Bild: In der Buchloer Weichterstraße hantierten gestern morgen Arbeiter einer Münchner Spezialfirma in weißen Schutzanzügen und mit Atemmasken an überdimensionalen Spezial-Staubsaugern herum. Am Mittwoch abend war in der 9.000-Einwohner-Stadt Asbestalarm ausgelöst worden. Drei Tage lang hatte eine Firma, die Malerarbeiten an der Außenfassade eines sechsstöckigen Wohnblocks durchführen sollte, die asbesthaltige Eternit- Verkleidung mit Sandstrahlgeräten bearbeitet. Erst als es einigen Anwohnern zuviel wurde mit dem braunen Staub, riefen sie die Polizei und das Gewerbeaufsichtsamt an. Keiner wußte zu diesem Zeitpunkt, daß durch die völlig unsachgemäßen Arbeiten das Fasersilikat Asbest freigesetzt wurde. Dabei hätte die Firma laut Ausschreibungen wissen müssen, daß die Eternitplatten asbesthaltig sind.

Asbestfasern sieht man nicht, man riecht sie nicht, und man spürt sie nicht. Trotzdem können sich bereits geringe Mengen, wenn sie eingeatmet werden, in den Lungenbläschen festsetzen und Lungenkrebs verursachen. Eine noch größere Gefahr besteht darin, daß die Asbestfasern die Lungenbläschen durchstechen und in der Blutbahn weitertransportiert werden. Auf diese Weise kann im schlimmsten Fall eine der gefährlichsten Krebsarten, der Bauchfellkrebs, ausgelöst werden.

Spätestens seit 1979 weiß man um die Gefahren des einstmals in mehr als 3.000 Produkten verarbeiteten Asbests Bescheid. Damals wurde nämlich der vor allem zum Feuerschutz eingesetzte Stoff verboten. „Noch nie ist uns ein derartig leichtfertiger, man muß schon sagen krimineller, Umgang bei einer Asbestsanierung bekanntgeworden“, erklärte gestern in Buchloe ein Mitarbeiter des Landratsamtes Ostallgäu. Experten hätten der Behörde gegenüber sogar von einem bundesweit einmaligen Fall gesprochen. In Buchloe ist man nach wie vor ratlos, auch wenn die Behörden sofort einen Krisenstab gebildet und Vorsorgemaßnahmen eingeleitet haben. Der an das betroffene Wohnhaus angrenzende Kindergarten wurde sofort bis auf weiteres geschlossen. Die Feuerwehr hat das Haus sowie den Eingangsbereich und die Umgebung mit Wasser besprengt. Außerdem wurden die Anwohner aufgefordert, wenn überhaupt, dann nur mut feuchten Lappen den Staub aufzuwischen. Feuchtigkeit bindet nämlich den Asbeststaub. In der Kanalisation, so ein Gutachter, sei er ungefährlich.

Doch die Verunsicherung ist groß. Karin Schimmelpfennig beispielsweise hat ihre fünfjährige Tochter Anna vorsorglich zu ihrer Mutter gebracht. „Ich weiß nicht, was womöglich schon passiert ist. Ich habe gestern noch zusammengekehrt, bevor dieser Alarm kam. Wir wußten ja nichts. Wir sind im Haus rein- und rausgegangen. Niemand hat uns etwas gesagt.“ Auch die Eltern, deren Kinder in einen benachbarten Kindergarten gehen, haben Angst. „Ich fürchte, daß meine Tochter krank wird. Die Kinder haben draußen gespielt“, sagt Martina Schwarz. Sie will zusammen mit anderen Eltern mögliche Schadenersatzansprüche an die durchführende Baufirma prüfen. Doch der Inhaber, Gerhard Gänsdorfer, ist offenbar abgetaucht. Weder Polizei oder Staatsanwaltschaft noch Landratsamt und Gewerbeaufsichtsamt konnten ihn bisher erreichen.