„Raum für die Nachfrage im Jahr 2000“

■ So gigantisch wie die Berliner Bauprojekte wird auch der Leerstand sein

Investoren großer Büroprojekte in der Berliner Innenstadt hat die Angst gepackt. „Soll ich bauen, warten oder verkaufen?“ lautet die Gretchenfrage der Bauherren angesichts des wachsenden Bürobubbles an der Friedrichstraße. Wer im Aufwind der Hauptstadt- Prognosen 1990/91 sein Projekt mit Mieteinnahmen von 80 Mark pro Quadratmeter und mehr kalkulierte, steht heute vor ernsthaften Finanzierungsproblemen. „Im Vergleich zu 1991 und 1992 stagnierte der Markt bei der Vermietung bereits im vergangenen Jahr. Und das setzt sich auch in diesem Jahr fort“, meint der Immobilienberater Uwe Liljeberg. Weil die Nachfrage nach teuren Bürostandorten ausgeblieben ist, erhalte man statt 60 bis 70 Mark pro Quadratmeter nur noch die Hälfte.

Anstelle der erhofften Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor für 2 bis 2,4 Millionen Quadratmeter BGF in den kommenden Jahren geht etwa das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung nun von 1,6 Millionen Quadratmeter BGF aus, die bezogen werden könnten. Für viele angeschobenen Projekte kommt die Meldung zu spät: Im Bereich der Friedrichstraße stehen allein rund 20 Bauvorhaben mit einer BGF von 700.000 Quadratmeter auf dem Sprung zur Realisierung.

Dies werde „zwangsläufig zu zeitweisen Leerständen führen“, meint der zuständige Referent in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Dietrich Flicke. Das Überangebot an Flächen – derzeit stehen 300.000 Quadratmeter leer – werde durch die Angebote am Potsdamer Platz ab 1997 mit zusätzlichen 300.000 Quadratmetern noch gesteigert – ganz zu schweigen von Megazentren wie dem Alexanderplatz, wo einmal rund eine Million Quadratmeter BGF gebaut werden. Die Entwicklung zusätzlicher Büros in der Innenstadt hält Flicke dennoch für richtig. Das beruhige die Gewerbemieten und schaffe „Raum für die Nachfrage im Jahr 2000“.

Bis dahin kann die Mehrzahl der Investoren nicht durchhalten. Schon jetzt wechseln darum Projekte in Berlin die Besitzer oder sie werden auf Eis gelegt. Ganze Bauvorhaben großer „Developper“ gingen in den letzten Monaten an sogenannte „institutionelle Kapitalanleger“ wie Banken und Versicherungen. Bis 1995 ist es nach Auskunft von Immobilienexperte Frank Orthen von Eureal durchaus vorstellbar, daß drei Millionen Quadratmeter Bürofläche auf dem Markt angeboten würden.

Zu den großen Transaktionen zählen die Grundstücksverkäufe am Gendarmenmarkt sowie der Verkauf eines Anteils von Sony am Potsdamer Platz an die Tishman Speyer Properties. Fast die Hälfte ihrer Nutzflächen in den Friedrichstraßen haben Roland Ernst/Dresdner Bank an den Immobilienfonds Degi verkauft, die ebenfalls neuer Eigentümer des Geländes der Euwo-Gruppe am Alexanderplatz ist. Um das Milliardenprojekt am Checkpoint Charlie nicht zu gefährden, holt sich die American Business Center GmbH zwei Partner mit an Bord, mit denen in diesen Wochen der Vertrag gemacht werden soll.