Die erste Reihe bleibt am Wahlabend Kohl-frei

■ Den Kanzler zieht es zu Sat.1

Berlin (taz) – Ein weiterer Sargnagel für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist angesetzt. Die Bonner Runde, wie üblich für den Abend der Bundestagswahl des 16. Oktober geplant, wird diesmal dem Nein des amtierenden Kanzlers zum Opfer fallen. Das erfuhr die taz aus gut unterrichteter Quelle. Kohl will sich statt dessen den Fragen seines Haus-und-Hof- Senders Sat.1 stellen. Sat.1, mehrheitlich in den Händen der Kirch- Springer-Gruppe, war in jüngster Zeit heftig wegen seiner Kanzlernähe kritisiert worden. In der Interviewsendung „Zur Sache, Kanzler“ präsentierten sich Journalisten wie Heinz Klaus Mertes und deutsche Urlauber am Wolfgangsee als Stichwortgeber für Helmut Kohl. Im Juli schrieb der Kölner Verleger Alfred Neven DuMont, Vertreter von über hundert Zeitungseignern, die mit zwanzig Prozent am Fernsehsender Sat.1 beteiligt sind, einen Brief an den Springer-Aufsichtsratsvorsitzenden Jürgen Richter und beschwerte sich darüber, daß sich Sat.1 „in den letzten ein bis zwei Jahren mit einer Ausschließlichkeit zu einer Partei, nämlich der CDU, und besonders dem Bundeskanzler bekennt, wie es sonst bislang bei keinem deutschen Sender der Fall war“. Neven DuMont hatte auch mißfallen, daß Sat.1 den Kanzler mit achtzig persönlichen Gästen auf eigene Kosten zur Fußballweltmeisterschaft einfliegen ließ. Mit seinem Schwenk von der Bonner Runde zu einer noch nicht genannten Sat.1-Sendung nach der Wahl bedankt sich der Kanzler fürstlich. Das Nachsehen haben wieder einmal die ARD-Anstalten („Bei uns sitzen Sie in der ersten Reihe ...“), denen nach Fußballrechten und Showmastern jetzt auch die Politiker abhanden zu kommen drohen. MR