Das ungeliebte Lohnmützchen

Die Arbeitskämpfe in den US-Profiligen gehen nach dem Abbruch der Baseball-Saison weiter / Eishockey-Saison vermutlich auf Eis  ■ Von Matti Lieske

Berlin (taz) – Der Schock der abgebrochenen Baseball-Saison steckt den Sportfans der USA immer noch in den Knochen, da stiftet die salary cap, das ungeliebte Lohnmützchen, dessen versuchte Einführung die Baseball-Profis in Rage und Streik brachte, neue Unruhe. Der für heute geplante Beginn der Eishockey-Saison NHL wird ausgesetzt, wenn nicht noch in letzter Minute ein Durchbruch in den Verhandlungen erzielt wird, und ob die Basketballer der NBA ihre am 4. November beginnende Saison regulär durchspielen können, ist äußerst ungewiß.

Am 15. September 1993 war der Vertrag zwischen der NHL und der Spielergewerkschaft ausgelaufen und wurde für eine Übergangszeit eingefroren, die nun verstrichen ist. NHL-Commissioner Gary Bettmann als Vertreter der Klubbesitzer will – um, wie er sagt, die finanzschwachen Teams zu unterstützen – jene Unternehmen, die die Durchschnittshöhe der Spielergehälter in der Liga überschreiten, mit einer deftigen Strafsteuer belegen. Für die Profis ist dies ein eindeutiger Versuch, die verhaßte salary cap, eine Obergrenze für die Summe der Gehälter in jedem Klub, einzuführen. Die Spieler schlagen zur Förderung der kleinen Teams eine fünfprozentige Steuer auf Gehälter und Zuschauereinnahmen vor.

„Wir haben einige breite Flüsse zu überqueren“, gab Bettman nach den gescheiterten Verhandlungen der letzten Woche zu, die Spieler signalisierten ihre Arbeitskampfbereitschaft. „Wir sind bereit, so lange draußenzubleiben, wie es sein muß“, sagt Mark Recchi von den Philadelphia Flyers, und Marty McSorley, Verteidiger der Los Angeles Kings, ergänzt: „Wir sind darauf vorbereitet, den Laden dicht zu machen.“ Nicht mehr ganz so viel Zeit in seiner Karriere hat Wayne Gretzky, der den Starrsinn der NHL bedauert: „Es ist alles sehr enttäuschend.“

Bleibt neben der Football-Liga NFL, die ihren Vertrag glücklich zustandegebracht hat, der Basketball. Das Abkommen zwischen NBA und Spielern lief im Juni aus, derzeit gibt es nicht mal Verhandlungen. „Ich glaube nicht, daß die Fans jetzt schon besorgt sein sollten“, sagt NBA-Deputy-Commissioner Russ Granik, Aussperrung oder Streik können jedoch keineswegs ausgeschlossen werden. Auch bei den Basketballern regt sich heftiger Unmut gegen die salary cap, die es in der Liga schon seit 1983 gibt, und gegen das Draftsystem. Kaum jemand bestreitet, daß Lohngrenze und Draft, die Delegierung der besten College- Spieler zu den schlechtesten Teams, entscheidend zum Aufschwung der NBA beitrugen, die Anfang der achtziger Jahre in den letzten Zügen zu liegen schien und unter Zuschauerschwund sowie Drogenproblemen litt. Die beiden Maßnahmen sorgten für eine Ausgeglichenheit der Profiteams, welche maßgeblich den kommerziellen Erfolg bewirkte. Nun, da die NBA ein florierendes Geschäftsunternehmen ist, mit durch Fernseheinnahmen und weltweites Merchandising prallgefüllten Kassen, halten die Spieler die Zeit für gekommen, die alten Strukturen zu verändern. Sie fordern freie Arbeitsplatzwahl, nicht nur für die Altstars, sondern auch für die vom College kommenden rookies. Immer häufiger weigern sich diese, bei den Klubs, von denen sie „gezogen“ wurden, Verträge zu unterschreiben, und die diesjährige Nummer eins des Draft, Glenn Robinson von der Purdue University, überlegte lange, ob er überhaupt zu der Veranstaltung erscheinen sollte. Er kam dann doch und muß nun zu den Milwaukee Bucks.

Ein noch größerer Dorn im Auge ist den Cracks die salary cap, auch wenn diese von drei Millionen Dollar in der Saison 1983/84 inzwischen auf fast 16 Millionen pro Team erhöht wurde und der Durchschnittsverdienst der Spieler inzwischen 1,3 Millionen Dollar pro Jahr beträgt. „Es gibt keine Obergrenze dafür, was die Klubbesitzer einnehmen“, sagt Charles Grantham, Chef der NBA-Spielervereinigung, „warum sollte es also eine Obergrenze dafür geben, was die Athleten einnehmen?“ Wenn das Management als freies Unternehmen arbeiten kann, so Grantham, „dann sollten auch die Spieler frei sein.“

Mit Spannung erwartet wird von allen Profiligen die Entscheidung eines New Yorker Gerichtes, das in den nächsten Wochen über die Zulässigkeit von salary cap und Draftsystem zu befinden hat. Danach dürfte der Tanz erst richtig losgehen. Spielervertreter Charles Grantham hat jedenfalls schon mal vorsorglich angekündigt, daß die Profis im Falle einer Aussperrung „alternative“ Matches veranstalten würden.