Einkaufen – aber bitte politisch korrekt! Von Thorsten Schmitz

Kennen Sie die Bäckerblume, eine Art Brot-Fibel fürs Volk? Wenn nicht: darin stand neulich zu lesen, man könne gar nicht genug Körner essen. Wissenschaftliche Tests hätten erwiesen, die regten die Peristaltik an. Drum futtert Voll- und anderes Korn, wer sich ewig mit dem Scheißen schindet!

Letzten Samstag lud mich meine Busenfreundin Lexi zum Frühstücken auf ihrem Balkönchen ein. Sie präsentierte alles vorzüglich, schäumte Milch auf für den Kaffee und geizte mal nicht mit der Brombeermarmelade. Für Brötchen und Hörnchenschnickschnack war ich zuständig. Lexi sagte, als könnte ich's vergessen haben: „Bringst du Brötchen mit? Du weißt schon...“

„Du weißt schon“ heißt Zehn- Korn-Brötchen, und die findet man bekanntermaßen in gut sortierten Ökoshops. Bei Lexi um die Ecke hat gerade so einer aufgemacht, den wollte ich testen. Ich liebe Ökoshops, weil man dort Menschen beobachten kann, die drei wurmstichige Möhren plus Erde für fünf Mark kaufen. (Lexi gehört übrigens dazu. Sie leistet sich für ihr Leben gern Zucchinis, die so breit sind wie Moonboots.)

Der Laden war ökologisch abbaubar eingerichtet, es roch nach frischem Holz. Als ich dran war, bestellte ich vier „Super-Öko- Semmeln“, die mit den zehn Körnersorten innendrin und obendrauf. Als die nougatgebräunte schwäbelnde Verkäuferin den Betrag nuschelte, traf mich der Schlag. Die Körnerhäufchen von der Größe eines Fünfmarkstücks kosteten sechs Mark, jedes also 1,50 DM! Komischerweise traf nur mich der Schlag, alle anderen um mich herum zahlten willig lächelnd. Ich wagte den leisen Einwurf: „Aber mit diesem Geld könnte ich ja ein Brot kaufen.“ Woraufhin die Verkäuferin mir sekundierte: „Dann tun Sie's doch.“ Ich tat es nicht, sondern bezahlte das Vermögen. Wahrscheinlich sind ihre Backwaren so astronimisch teuer, weil sie ja irgendwie einen gewissen Lebensstil halten müssen. Der Mann der Nougatgebräunten hatte in dem überfüllten Shop nämlich nichts Besseres zu tun, als per Funktelefon einen Flug nach New York zu buchen.

Als ich Lexi davon berichtete, waren wir beide voller Empörung und beschlossen, die Halsabschneider zu meiden. Ich kaufe eh lieber bei meinem türkischen Obst- und Gemüsemann ein: Da sind Avocados billig und weiße Brötchen garantiert ungesund. Und außerdem finde ich es immer so nett, wie er mich ausquetscht. Dem entgeht nichts.

Aber Liebe macht offenbar blind für political correctness. Denn als ich jüngst mit lautem Hallo meinen türkischen Ladenbesitzer verließ, stieß ich auf eine Bekannte, von der ich gar nicht wußte, daß sie in meinem Viertel lebt. Wir plauderten eine kurze Weile über dies und das, bis sie mit ihrer Inquisition begann: „Kaufst du immer bei dem ein?“ Ich bejahte wahrheitsgemäß und wollte gerade sagen, bei dem sind die Avocados immer so sensationell günstig. Die Bekannte aber unterbrach meine Schwärmerei und zischte: „Aber der ist doch kein Kurde!“

„Uff“, entfuhr es mir, und ich log: „Hätt' ich das gewußt...“

Als ich wieder zu Hause war, rief ich sofort Lexi an und sagte: „Ich kann leider nie wieder zum Frühstücken kommen. Ich weiß nämlich nicht, wo ich noch einkaufen darf.“