■ Licht & Schatten
: Salonlöwen satt

Ken Follett: „Die Pfeiler der Macht“. Lübbe, 637 Seiten, geb., 46 DM

Der Brite Ken Follett schreibt zwar alle zwei Jahre einen Bestseller, hat aber seit seinem Debüt „Die Nadel“ keinen wirklich bemerkenswerten Thriller mehr zustande gebracht. Der Welterfolg der „Nadel“ (die Jagd auf einen deutscher Spion während des Zweiten Weltkriegs auf der Britischen Insel) ist ihm wohl zu Kopf gestiegen. Fortan wurden die Schauplätze immer exotischer. Erst waren es die Berge des Hindukusch, dann war es die Welt des Mittelalters, und in seinem vorletzten Werk ein gigantisches Flugboot über dem Atlantik. Die Bücher wurden immer dicker, die Geschichten immer dünner. Sein neuer Schmöker spielt im England des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Es ist die Geschichte vom Aufstieg und Fall des Londoner Bankhauses Pilaster, und sie beginnt mit einem Mord. Er bleibt nicht der einzige. Denn die böse Augusta, die wirkliche Machthaberin des Finanzimperiums Pilaster, will unbedingt ihren völlig unfähigen Sohn Edward auf den höchsten Posten in der Bank hieven. Weiter treten auf: der Held, ein sympathischer Außenseiter, haufenweise Salonlöwen, ein paar Huren in schmuddeligen Bordellen, ein verarmtes Arbeitermädchen, das aber, weil anständig, schnell sein Glück macht und sich dann für die Rechte der Frauen einsetzt, gekrönte Häupter und ein skrupelloser südamerikanischer Diplomat. Es fängt alles recht spannend an. Follett benutzt die Technik von Fernsehserien, um den Leser bei der Stange zu halten. Jedes Kapitel beginnt mit einem Problem. Im Kopf des Lesers blitzen die ideale und die gräßlichste Lösung auf. Follett enttäuscht nicht, er bedient mal so und mal so. Nach dem vierten Kapitel denkt man nur noch: „O Gott, dieses Klischee wird er doch nicht auch bringen.“ Doch er tut's. Immmer wieder. Bis zum glücklichen Schluß. Karl Wegmann