■ Tun & Lassen
: Mehr Apartheid!

Ein Kapitel für sich ist der Umgang mit Tieren. Auf dem Weg zum Kiosk, wo ich Lebensnotwendiges besorge, begegne ich zum Beispiel tagtäglich einem extrovertierten Papageienvogel. Seine Besitzerin, die sich gelegentlich mit einer Zigarette im Hals beim Aufhängen von Wäsche auf dem der Straße zugewandten Balkon sehen läßt, pflegt das bölkende Tier tagsüber im Käfig auf jenem Balkon auszusetzen.

Ich verstehe das gut. Solch einen Schreihals hätte ich auch nicht gerne in der Wohnung. Die Zeit vertreibt er sich, indem er so dissonant wie möglich und in allergrößter Lautstärke auf die Passanten einkeift. Sogar die Laute, die von radschlagenden Pfauen ausgestoßen werden, schmeicheln im Vergleich dazu dem Ohr wie private Koseworte.

Der Papagei schreit aber nicht nur, er ist auch in der Lage, die Geräusche wiederzugeben, die er im Haushalt seines Frauchens aufgeschnappt hat.

Dazu gehören unter anderem Rülpser, Schmatzen, Schnaufen, Gurgeln, Räuspern und Furzen. Da muß Frauchen aber schön in der Zwickmühle gesessen haben: das widerliche Geplärr in der Wohnung dulden oder den peinlich gelehrigen Vogel aussperren auf die Gefahr hin, daß er die ganze Nachbarschaft mit Geräuschproben aus der Intimsphäre beschallt?

Die Alternative, das quäkende Ungetüm einfach abzuschaffen, schien nicht in Betracht gezogen worden zu sein. Das sieht Leuten ähnlich, die töricht genug sind, sich Haustiere aufzuhalsen, die weder optische noch akustische Balkontauglichkeit aufweisen.

Auch der Hanswurst, der im Sommer mit seinem importierten und dann entwischten Kaiman den Betrieb in einem Badesee zum Erliegen brachte und nun vor bösen Regreßforderungen steht, hat seine Strafe verdient. Es war ja schon albern genug, syrische Goldhamster nach Europa zu verschleppen, wo sie in Käfigen täppischen Zehnjährigen ausgesetzt sind, die sich grausamen Täuschungen über das Kuschelbedürfnis ihrer Schützlinge hingeben.

In Barcelona sah ich einmal sogar Affen in winzigen, für kauflustige Touristen gestapelten Zwingern darauf warten, irgendeinem urwaldfernen Haushalt zugeführt zu werden, um dort Neckereien mit der Deckenlampe anzustellen und nach der dritten Neckerei auf einer Autobahnraststätte ausgesetzt zu werden.

Schreiende Subtropenfauna und mitteleuropäische Passanten haben nichts miteinander gemein, fallen sich gegenseitig nur zur Last und sollten getrennte Wege gehen dürfen. Apartheid zwischen Mensch und Tier hat ihren guten Sinn, erst recht, wenn die Natur in ihrer Weisheit Tausende von Kilometern dazwischengepackt hat — Entfernungen, die der Mensch nicht mutwillig überwinden und löschen sollte. Sven Salbenbye