Country goes Star Trek? Garth und wie er die Welt sieht

Vier-, fünf-, ach was: ein dutzendmal bestimmt fährt er den gestreckten Zeigefinger gen Auditorium aus. Wahlweise auch mal den nach oben gereckten Daumen. „Alles o.k.! Ich bin bei Euch und Ihr bei mir“, will diese nimmermüde Geste der Bestätigung und Ermunterung sagen. Garth Brooks tut geradewegs so, als begrüße er in einem kleinen Kellerklub ein paar alte Gefährten aus der High School. Dabei steht er vor vielleicht 5.000 Leuten, die eine unwirtliche, auch noch bestuhlte (!) Sporthalle beim ersten von zwei Hamburger Konzerten knapp füllen. Die fast verzweifelt um Intimität buhlende Fingersprache des leicht untersetzten Megastars steht in merkwürdigem Kontrast zum eher futuristisch anmutenden Ambiente der Aufführung. Mattsilbern schimmert die rundum offene Bühne unter einer gewaltigen schwenk- und senkbaren Scheinwerferbatterie; jegliche Technik bis zur Unkenntlichkeit absorbierend, erinnert sie an die Kommandobrücke einer Raumstation: Country goes Star Trek? Erst wenn das Licht- und Soundgewitter des minutiös geplanten Countdowns überstanden ist, wenn die schwerelos agierende Mannschaft ihre Gitarrentorpedos scharf gemacht hat, steigt Commander Garth aus den Tiefen des Mutterschiffs empor, um seine Botschaft zu verkünden.

Die ist – allen „kontroversen“ Songs zum Trotz – einfach. Hier glaubt einer so sehr an sich selbst, daß allen anderen gar nichts anderes übrigbleibt, als auch an ihn zu glauben. Wie ein Politiker auf den Wogen der letzten Meinungsumfrage, surft der Mann mit dem schütteren Haar unterm Hut auf den Emotionen seiner Fans (kein Platz für Skeptiker). Kaum hat er ihren sentimentalen Schweinehund zur Feuerzeugorgie knapp über die Kitschgrenze gelockt, da jagt er ihn mit polternd-affektiertem Rock-Tohuwabohu wieder in den Zwinger zurück.

In seinem linkisch-unbeholfenen Performer-Charme dem Bruce Springsteen der mittleren Achtziger nicht unähnlich, waltet hier die vielleicht perfekteste Inszenierung des Common Man, die je eine Bühne betreten hat. Garth und wie er die Welt sieht: als einen Ort nämlich, an dem jeder seines Glückes Schmied sein darf und kann – frei und respektiert. Oder sich zumindest für die Länge eines Fußballspiels eine blendende Illusion davon erkaufen kann. Seine Vermarktungsfirma heißt schließlich nicht zufällig „Dreamchase Productions“.Jörg Feyer

Heute, 20 Uhr, Deutschlandhalle Berlin