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Der IWF scheitert an innenpolitischen Konflikten

■ Zum Beispiel in Pakistan: Die Klasse der Großgrundbesitzer blockiert jede Wirtschaftsreform, die menschlichen Ressourcen des Landes liegen brach

New Delhi (taz) – Mit dem Segen des Internationalen Währungsfonds will Pakistans Regierung die Wirtschaft privatisieren und den Staatshaushalt ins Gleichgewicht bringen. Doch wirtschaftspolitische Richtlinien genügen nicht, es fehlt an politischen Reformen, für die sich der IWF nicht zuständig fühlt.

Premierminister Nawaz Sharif zum Beispiel hatte in den ersten zwei Jahren seiner Amtszeit versucht, die Staatsfinanzen durch ein Privatisierungsprogramm zu verbessern. Im Frühjahr 1993 begann sein Stuhl zu wackeln. Sharif legte ruinöse Wohltätigkeitsprogramme auf, um der wachsenden Popularität des Präsidenten der Republik und Benazir Bhuttos, der Gegenkandidatin für das Amt des Premiers, zu begegnen. Die Geschenke brachten den Staat an den Rand der Zahlungsunfähigkeit.

Sharif verlor sein Amt trotzdem. Die Militärs, der kostspieligen Intrigen müde, stellten den ehemaligen Weltbank-Direktor Moeen Qureshi an die Spitze des Landes. Sein Mandat war auf drei Monate befristet, in dieser Zeit versuchte der Technokrat Reformen durchzusetzen, die unter demokratischen Voraussetzungen torpediert worden wären. Dazu zählten vor allem Steuern für die Landwirtschaft – bislang ein Tabu in Pakistan. Denn hinter dem offiziellen Jammerbild des armen Bauern verstecken sich Großgrundbesitzer ebenso wie Geschäftsleute. Der Besitz einer Villa genügt, um das „Farmhouse“ als Steueroase und sich selbst als Bauer zu deklarieren. 60 Prozent der Bevölkerung leben jedoch tatsächlich von der Landwirtschaft. Meist stehen die Bauern in feudaler Abhängigkeit zu den Landbesitzern, die eine Mehrheit der Parlamentsabgeordneten stellen. Dieser Landadel hat bisher jeden Besteuerungsversuch sabotiert. So kommt es, daß Pakistan mit seinen 120 Millionen Menschen nur eine Million Steuerpflichtige zählt. Die meisten leben in der Hafenstadt Karachi. Der wirtschaftliche Schaden läßt sich beziffern: Karachi trägt 60 Prozent der Staatseinnahmen, erarbeitet aber nur 35 Prozent des Sozialprodukts.

Seit dem Wahlsieg von Benazir Bhuttos Partei steht die Landwirtschaftssteuer wieder in Frage. Schon das erste Budget bewies die Kapitulation. Der Finanzminister verkündete eine bescheidene Abgabe auf landwirtschaftliche Vermögen; die entscheidenden Einkommenssteuern sollen die Provinzen beschließen, die sich heftig dagegen verwahren.

Die IWF-Auflage, die Steuerausfälle von acht auf fünf Prozent zu senken, trieb den Finanzminister umgehend zum bewährten Mittel der indirekten Abgaben. 270 Konsumartikel wurden einer Umsatzsteuer unterworfen, und die Verkaufssteuer vor allem von Dienstleistungen wurde bis zu 50 Prozent erhöht. Das Resultat war ernüchternd: die Preise stiegen, und die Reaktionen der Wirtschaftsverbände zeigen, daß die Steuerbeamten lediglich die Tür für weitere Bestechungen öffnen. Die prognostizierten Steuereinnahmen von insgesamt 214 Milliarden Rupien liegen weit unter den Ansätzen für Schuldendienst und Verteidigung, die zusammen 81 Prozent aller Ausgaben verzehren. Die Regierung hofft auf den IWF, der mit der Zustimmung zu ihrem Kurs Signal geben könnte. Noch mißtrauen ausländische Unternehmen den Absichtserklärungen. An direkten Investitionen flossen im vergangenen Haushaltsjahr nur 131 Millionen Dollar nach Pakistan. Lediglich die Börse zog spekulatives Geld in doppelter Höhe an. Kurzfristige Verbindlichkeiten von fünf Milliarden und eine Gesamtschuld von 42 Milliarden Dollar belasten die Devisenbilanz, indirekte Steuern und eine inzwischen auf 14 Prozent geschätzte Inflation die Armen. Der ehemalige Finanzminister Mahbub al-Haq glaubt nicht, daß diese Rechnung aufgeht. Er verweist auf die Grundlagen des Erfolgs der ost- und südostasiatischen „Tiger“: Landreform und Investitionen in menschliche Ressourcen, in die Ausbildung der Arbeitskräfte. Dafür gibt Pakistan gerade fünf Prozent seines Staatshaushalts aus. 35 Prozent kassieren die Militärs. Bernard Imhasly

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