Die gewisse List des Herrn Töpfer

■ Die EU sperrt sich weiter gegen Ökosteuer / Bonn: Dann sollen zunächst die Verbraucherpreise für Energie steigen

Luxemburg (taz) – Die Ökosteuer ist tot, es lebe die Ökosteuer. Die Diskussion um die Einführung einer Energiesteuer auf Ebene der Europäischen Union ist so festgefahren, daß selbst Bundesumweltminister Klaus Töpfer sie als gescheitert ansieht. Doch nach den neuesten Daten der Europäischen Kommission können die Zusagen der EU-Regierungen, die CO2-Emissionen bis zum Jahr 2000 auf dem Stand von 1990 zu stabilisieren, ohne Energiesteuer nicht eingehalten werden. Deshalb will Töpfer das Thema „mit einem völlig neuen Ansatz“ wiederflottmachen. Dabei sollen die Verbraucher die Rechnung erst mal allein zahlen, der Industrie will der Umweltminister eine Schonfrist einräumen.

Beim Umweltministerrat in Luxemburg schlug Töpfer gestern seinen EU-Kollegen vor, von einer neuen Steuer auf den Energieverbrauch und den CO2-Ausstoß abzusehen. Statt dessen sollen sie doch einfach in allen Mitgliedsländern die bestehenden Verbrauchssteuern anheben. In Deutschland würde das beispielsweise bedeuten, daß unter anderem die Benzinsteuer um eine Umweltkomponente erhöht wird. Das würde dazu führen, daß der Energieverbrauch unterm Strich um genau dieselbe Summe teurer wird wie bei der bisher diskutierten CO2-Energiesteuer.

Offensichtlich ahnt auch der Bundesumweltminister, daß nicht alle Regierungen, die sich bisher gegen die Ökosteuer stemmten, mit dieser feinsinnigen Taktik überrumpelt werden können. Um die Widerstände zu brechen, bietet er deshalb ein besonderes Zuckerl an: Die als Umweltkomponente getarnte Energiesteuer soll vorerst nur die Verbraucher treffen. Erst in einem zweiten Schritt, der vorher genau festgelegt werden müsse, soll auch die Industrie durch finanziellen Druck zum Energiesparen angehalten werden. Besonders groß ist dieser Druck ohnehin nicht. Geplant sind sechs Mark pro Barrel Rohöl im ersten Jahr, danach werde die Umweltkomponente jährlich um zwei Mark pro Barrel bis auf insgesamt zwanzig Mark ansteigen.

Umgerechnet auf den Liter Benzin, macht das im ersten Jahr eine Preiserhöhung von knapp drei Pfennig aus. Nach Ansicht von Umweltexperten würde das nicht allzuviel bewirken, wäre aber immerhin ein Anfang. Gas, Elektrizität und alle anderen Energien sollen vergleichbar besteuert werden. Vor allem Frankreich will die Umweltsteuer auf Energien mit CO2- Ausstoß beschränkt sehen, weil dadurch der Atomstrom steuerfrei davonkäme.

Allerdings konnte auch Töpfer nicht schlüssig erläutern, wie er die Verbrauchssteuern von Gas, Strom oder Flugbenzin erhöhen will, wenn es bisher für Gas und Strom in einigen EU-Ländern noch gar keine Verbrauchssteuern gibt. Flugbenzin geht in allen EU- Ländern steuerfrei aus.

Vor allem die südlichen Länder in der Europäischen Union sperren sich gegen eine Erhöhung der Steuern, mit dem Argument, daß sie vergleichsweise wenig Energie verbrauchen und erst den Vorsprung der Nordländer beim Ausbau der Industrie aufholen müßten. Eine Energiesteuer, auch wenn sie Umweltkomponente heißt, wäre da nach Ansicht der Regierungen in Athen, Madrid und Lissabon schädlich.

Und London ist aus Prinzip gegen europäische Steuern. Die Diskussion dürfte sich deshalb erneut über einige Monate hinziehen.

Die stärker industrialisierten Länder der Europäischen Union, wie Deutschland, Frankreich und die Niederlande, bleiben offensichtlich auf der altbekannten Position stehen, daß eine Ökosteuer nur EU-weit einzuführen sei, weil die eigene Industrie sonst Wettbewerbsnachteile erleide. Dieser Position liegt die Einschätzung zugrunde, daß jede Verteuerung der Energie der Wirtschaft schade. Eine Einschätzung, die bereits von mehreren Wirtschaftsinstituten widerlegt wurde. Alois Berger

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