■ Zur geplanten europäischen Bioethik-Konvention
: Erst Ethik, dann Forschung

Die Anti-Gentechnik-AktivistInnen dürfen einen großen Erfolg verbuchen: Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sah sich gezwungen, eindeutig gegen die europäische Bioethik-Konvention Stellung zu beziehen: So wie jetzt werde Deutschland sie auf keinen Fall ratifizieren.

Drei Jahre lang hatten acht Wissenschaftler im geheimen vor sich hin gewirkt, um im Auftrag des Europarats einen völkerrechtlich verbindlichen Vertrag auszuarbeiten. Herausgekommen ist ein Werk, welches das technisch Machbare als ethisch einwandfrei definiert. Behinderte sollen wieder zu Versuchsobjekten werden, wenn es dem medizinischen Fortschritt dient. Und auch Embryonen dürfen bis zum 14. Tag beforscht werden. Eine maßgeschneiderte Konvention von Gentechnikfreunden für Gentechniker.

Im Mai dann gelangte der Entwurf ungewollt an die Öffentlichkeit. Das Essener Genarchiv startete eine internationale Initiative, die insbesondere in Deutschland von einem breiten Bündnis unterstützt wird. Behindertenvereine, Kirchen und Ärzteverbände konnten von den Initiatorinnen mobilisiert werden – bis die Bundesregierung sich gezwungen sah, im Europarat Protest anzumelden.

Jetzt kommt es darauf an, daß sich die GentechnikkritikerInnen nicht selbstzufrieden zurücklehnen. Denn die Hauptarbeit steht noch bevor. Nur auf der formalen Ebene hat die Regierung einen Rückzug gemacht. Was die Unterstützung konkreter Forschungsprojekte angeht, marschiert sie eifrig mit; und die SPD trottet hinterher. So hat die EU-Kommission mit deutscher Unterstützung kürzlich Gelder für ein Projekt genehmigt, bei dem es um die Verpflanzung embryonalen Gewebes geht. Die ethischen Fragen werden wieder später gestellt, wenn die wissenschaftlichen Ergebnisse als Sachzwänge vorliegen. Regelmäßig werden die Kritiker an solcher Stelle dann mit dem Hinweis ins moralische Abseits verdammt, sie würden durch ihre Verweigerungshaltung doch nur dem einzelnen unnötiges Leid aufbürden.

Entscheidend ist jetzt, eine breite Diskussion darüber zu beginnen, was überhaupt erforscht werden soll und was nicht. Erst muß der ethische Rahmen klar abgesteckt werden, dann können die Wissenschaftler loslegen. Sonst stehen Mütter bald unter dem Zwang einer privaten Eugenik. Kinder mit gesellschaftlich unerwünschten Eigenschaften müssen dann abgetrieben werden – oder die Frau setzt sich selbst „freiwillig“ ins Abseits. Annette Jensen