Der moderne Welt-Marktplatz

■ Bei der IWF-Tagung zählte vor allem das Geschäftliche

Madrid (taz) – Wie einen „mittelalterlichen Marktplatz“ hätte man sich die Jahresversammlung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank vorzustellen, versucht der ehemalige Zentralbankchef Belgiens das Gewusel zu erklären. Alle kommen von weit her zusammen, um sich zu treffen, zu handeln und am Rande ein bißchen zu feiern.

Verglichen mit dem ganz und gar nicht mittelalterlichen Kongreßzentrum außerhalb von Madrid, in dem sich der „Marktplatz“ befindet, ist ein internationaler Flughafen übersichtlich und lauschig. Nur die Röntgengeräte und Metalldetektoren am Eingang sind dieselben.

Das Gefühl dazuzugehören ist alles

„Ihre Karte!“ blafft ein Polizist in Kampfanzug – Eintritt nur mit einer vielfarbigen Ausweiskarte mit Konterfei, die jeder um den Hals tragen muß. Faustregel: Je bunter die Karte, desto höherrangig der Träger. Sonst ist nichts bunt. Mann trägt dunkelblaue und schwarze Anzüge, Nadelstreifen sucht man übrigens in der hohen Finanzwelt vergebens. Frauen auch.

So mancher Besucher in Anzug und Schlips entpuppte sich jedoch in der Pressekonferenz als lautstarker Weltbankgegner, und Greenpeaceler konnten sich an Polizisten und Wachmännern vorbei, von denen jeder in Hollywood beim nächsten Mafiafilm Chancen auf die Hauptrolle hätte, in die Eröffnungsfeierlichkeiten der Jahresversammlung schleichen und dem spanischen König ein Transparent vor die Nase hängen. IWF- und Weltbankmitarbeiter echauffieren sich, Sicherheitsbeamte reagieren mit Verhaftungen, die anderen Tagungsteilnehmer freuen sich: „Toll, wie Greenpeace das gemacht hat.“

Sonst haben die Jahresversammlungen ja auch nicht viel zu bieten. Vor dreiviertelleeren Rängen hält ein Gouverneur nach dem anderen seine Rede, lobt die Wirtschaftspolitik seiner Regierung und betont die ungeschmälerte Bedeutung der Bretton-Woods-Organisationen für den Erhalt der Welt.

Hinter dem Rednerpult langweilt sich derweil verbissen Weltbankpräsident Lewis Preston, geierhaft über den Tisch gekrümmt, die Mundwinkel auf Höhe der Brustwarzen, während IWF-Direktor Michel Camdessus – unbenommen aller politischen Niederlagen, die er in Madrid schon erlitt – den kultiviert-charmanten Weltbürger gibt.

Die Entscheidungen hat zuvor hinter verschlossenen Türen der Interimsausschuß des IWF getroffen. Wozu die dreitägige Sitzung des Gouverneursrates, des formal höchsten Gremiums von Weltbank und IWF, überhaupt noch dient, erklärt ein italienischer IWF-Mitarbeiter: „... dazu, allen Mitgliedern das Gefühl zu geben dazuzugehören.“

Beim Empfang der spanischen Regierung in der zugigen zentralen Halle unterhalten sich die beiden Gouverneure des Tschad darüber, was sie hier – außer Häppchen – eigentlich zu suchen haben: „Sonst vergessen die hier die afrikanischen Länder ganz.“ Dennoch sind die Jahrestreffen sehr wichtig, betont der Chef der englischen Banknotendruckerei. Da zieht er einen Auftrag an Land, Banknoten nach Bolivien zu liefern, die Citibank- Manager bereiten einen neuen Kredit an Brasilien vor, und der Mitarbeiter des ungarischen Finanzministeriums schnürt mit der Europäischen Investitionsbank ein Kreditpaket. Sogar die Bürgerinitiativen bekommen ihre Termine mit hochrangigen IWF- und Weltbankvertretern.

Was zählt, ist das Busineß

Jeder schlendert ein wenig schielend durch den Saal, die Augen auf die bunten Plaketten, die auch hier alle tragen müssen, gerichtet. So finden sich Delegierte aus Kroatien, Slowenien und der „ehemaligen jugoslawischen Republik Makedonien“ auf ein Glas Sekt zusammen, der Minister aus Dschibuti treibt endlich einen Journalisten auf, dem er ein Interview geben kann, und die weißblonde Delegierte der Mongolei begrüßt den ebenso hellhäutigen Berater der angolanischen Regierung – beide kommen ursprünglich vom IWF. „Eigentlich finden zwei Treffen statt“, fährt der englische Banknotendrucker fort. „Das offizielle, über das die Presse so viel berichtet, ist das unwichtige. Was zählt, ist das geschäftliche Zusammentreffen.“ Nicola Liebert