„Hier gibt's nichts zu schützen“

■ Denkmalschutz auf Helgoland: Ein Werbefaktor oder der Würgegriff der Bürokraten? Von Sven Bardua

„Auf Helgoland gibt es nichts zu schützen“ – diese von einem Insulaner vorgebrachte Provokation brachte Schleswig-Holsteins Kultusministerin Marianne Tidick (SPD) am Mittwoch nicht aus der Fassung. Der Denkmalschutz auf Deutschlands einziger Hochseeinsel, so die Ministerin, sei doch auch ein „Werbefaktor“ für Touristen: „Dieser Baustil ist etwas, auf das die ganze Welt geschaut hat. Sie sollten ein wenig stolz auf das sein, was sie hier haben.“

Den Widerstand der Insulaner gegen die Pläne der Denkmalschützer konnte sie damit keineswegs dämpfen. 129 Bauten sollen unter Schutz gestellt werden, ein bundesweit einmaliges Gutachterverfahren soll die verfahrene Situation jetzt entschärfen. Die seit 1952 vollkommen neu wiederaufgebaute Siedlung auf dem „Roten Felsen“, der zum Kreis Pinneberg gehört, ist ein einmaliges Ensemble aus den 50er Jahren. Gebaut wurde ein einheitlicher Ort ohne avantgardistische Auffälligkeiten, der nie zur Uniformität absinkt. Nach langem Ringen hatten Insulaner und Architekten damals diese beispiellose Arbeit vorgelegt. Die relativ kleinen und schlichten Häuser aber entsprechen den heutigen Ansprüchen ihrer BewohnerInnen nicht mehr. Sie wollen modernisieren.

Hindernis für die wirtschaftliche Entwicklung der Insel?

Ein Gutachtergremium aus Architekten, Denkmalpflegern und Hauseigentümern soll jetzt als neutrale Instanz „verträgliche Umbau und Modernisierungslösungen“ entwickeln. „Wir als Denkmalbehörde binden uns an die Entscheidung der Gutachter“, versprach Tidick den BewohnerInnen: „Es ist ein Weg, den wir gemeinsam mit ihnen gehen wollen.“

Ohne die Insulaner funktioniert der Denkmalschutz auf Dauer nicht, dies haben die Helgolän-derInnen eindrucksvoll mit dem Kurhaus bewiesen. Das Kulturdenkmal vor dem Rathaus wurde inzwischen abgerissen, nachdem es zuvor jahrelang ungenutzt vor sich hingammelte.

Der Denkmalschutz gilt vielen EinwohnerInnen als das Hauptproblem ihrer Insel. Häuser müßten mit viel Geld saniert werden; auch der Vorwurf steht im Raum, wegen der vielen kleinen unsanierten Häuser gehe die Bevölkerung auf der Insel zurück (zur Zeit 1700 Einwohner). Viele Helgoländer sehen sich deshalb durch den „Würgegriff des Denkmalschutzes“ in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung behindert. So könnten Zimmer nicht auf Kosten der ohnehin zugigen Balkons vergrößert, Abzugsrohre an die Fassade gebaut oder die Fassaden nicht mit Steintapeten verkleidet werden. Dies würde das Ortsbild in den Denkmalschutzbereichen schnell empfindlich stören.

Der seit 1988 geführte Streit ist auch ein alter Kampf zwischen Insulanern und Festländern. „Wa-rum“, empörte sich eine Bürgerin gegenüber der Ministerin, „entscheiden das Leute, die drüben wohnen und besser leben als wir“.