Nikotinfrei - aber wie?

■ Ex- und Wieder-RaucherInnen über ihren Kampf gegen die Sucht und über den Sinn von Entwöhnungs-Hilfsmitteln

Es soll sie ja geben, die Menschen, die noch nie den Drang zur Zigarette verspürt haben, denen auch im Totalstreß nicht mal der Gedanke an beruhigenden Qualm kommt, und die ein Vier-Gänge-Menü problemlos ohne Kippe verkraften. Solche haben's leicht, „pc“ zu sein in Zeiten, in denen Nichtrauchen so schick ist wie heute. Alle anderen aber barzen entweder trotzig weiter oder strampeln sich ab, um endlich aufzusteigen in den Club der Nikotinfreien.

Für sie hat der zunehmende gesellschaftliche Druck auf RaucherInnen einen Vorteil: Die Zahl der Hilfsmittel zur Rauchentwöhnung ist mittlerweile recht groß, und man muß auch nicht mehr zum Arzt, um z. B. an Nikotinpflaster oder -kaugummis zu kommen (welche Raucherin empfindet sich schon als krank?).

Die Gespräche, die die taz hamburg mit einigen Ex- und WiederraucherInnen führte, machten allerdings klar, daß es keine Wundermittel gibt, an die man die Verantwortung abgeben kann. Die Pädagogin Inge Breier, die seit vielen Jahren für die AOK „Rauchfrei“-Kurse leitet, bestätigt aus ihrer Erfahrung, daß Aufhörwillige letztlich auf sich selbst bauen müssen, ihren Willen, ihre Motivation – und auf die Gruppe, in der sich die Leidensgefährten gegenseitig bestärken und voneinander profitieren. Ob man sich für die „Schlußpunkt“- oder die weniger rabiate Reduktionsmethode entscheide , sei für den Erfolg zweitrangig und hänge vom jeweiligen Typ ab. Bei beiden Methoden komme es darauf an, die eigene Sucht als solche anzuerkennen und sich mit ihr auseinanderzusetzen.

Jutta (36), kaute nach 20 Jahren Abhängigkeit und zwei vergeblichen Aufhör-Versuchen einige Wochen Nikotin-Gummis.

Wieder nix, warum?

Das lag nicht an den Kaugummis, sondern an mir. Nach dem entspannenden Urlaub war's auf der Arbeit wieder so richtig stressig, nach drei Tagen habe ich überhaupt nicht mehr auf mich geachtet, es gab ja so viel Wichtigeres – dann ist es passiert.

Wirst du es wieder versuchen?

Irgendwann bestimmt. Aber das muß mehr über den Kopf laufen, vielleicht mit Hilfe eines Buches. Hilfsmittel sind gut, aber man darf sich nicht zu sehr auf sie verlassen. Vor Jahren habe ich es mal mit Akupunktur versucht, in der ganz naiven Hoffnung: Der Onkel Doktor piekst mich jetzt ins Ohr und alles wird gut. Ging natürlich völlig in die Hose.

Stefan (39), hat nach 20 Jahren ständiger Begleitung durch Selbstgedrehte vor vier Wochen aufgehört – fast zumindest.

Du hast Nikotinpflaster zur Hilfe genommen, was hat's gebracht?

Die hab' ich nach zehn Tagen wieder abgesetzt.

Konntest du so schnell schon ohne das Gift auskommen?

Fit fühlte ich mich noch nicht unbedingt. Aber nach dieser Anlaufzeit hatte ich begriffen, daß das Wesentliche über den Willen läuft. Die Pflaster haben mir am Anfang sehr dabei geholfen, den Schmacht in Grenzen zu halten. Ich wußte, ich kriege ja eine gewisse Dosis Nikotin. Die neue Erfahrung, in klassischen Rauchsitu-ationen „ohne“ ausgekommen zu sein, hat dann bewirkt, daß ich den Jipper auch so bewältigen konnte.

Positive Bestärkung also...

Ja. Früher habe ich vor einer U-Bahnfahrt manchmal nur geraucht, weil ich wußte, jetzt kannst du 30 Minuten nicht – egal, ob ich das Bedürfnis danach wirklich hatte oder nicht. Das habe ich jetzt ganz gut im Griff.

Du rauchst aber ab und zu mal eine – warum?

Genuß – nach einem schönen Essen schmeckt's einfach. Und manchmal kann ich in in Streßsituationen nicht widerstehen. Aber immer nur geschnorrte Zigaretten, nie gekaufte!

Barbara (29), hatte 14 Jahre geraucht, als sie vor einem Jahr per Hypnose der Sucht entsagte.

Du hast mittlerweile wieder angefangen zu rauchen. Was ist passiert?

Schuld war ein zeitweiliger sexueller Notstand. Ich hatte Lust auf Sex – es war nur kein Partner da, ich wußte nicht wohin damit. Da mußte die Zigarette ran.

Du hattest immerhin schon über ein halbes Jahr durchgehalten...

...da hatte der Leidensdruck schon nachgelassen. Ich erinnerte mich nicht mehr so an den doofen Husten, sondern an das schöne Gefühl, nach dem Essen zu rauchen.

Wirst du es nochmal mit Hypnose versuchen?

Vielleicht. Mit irgendeinem Hilfsmittel bestimmt. Unterstützung muß man haben, ich halte nichts von totaler Selbstkasteiung.

Carola (40), hat's nach gut 20 Jahren mäßigen Rauchens mit entgiftenden Zigarettenspitzen probiert – erfolglos.

Warum hat's nicht geklappt?

Die Spitzen – vier verschiedene, die unterschiedlich stark filtern – sollen ja langsam vom Rauchen wegführen. Das Problem ist, daß man weiterraucht. Die Gewohnheit als solche bleibt.

Und der Schmacht geht nicht zurück mit immer weniger Nikotin?

Bei mir zumindest hat's nicht funktioniert. Die stärker entgiftenden Spitzen sind so eng, daß kaum noch Rauch durchkommt. Und da sitzt man denn da und zieht und zieht und schmeißt das Ding schließlich in die Ecke. Und außerdem sind die Spitzen durchsichtig, man sieht, wie sie voller ekligem Teer sind, und schämt sich, daß man das seiner Lunge nicht erspart, und aus lauter Frust muß dann die nächste Zigarette her...

Hedda (50), hat es vor acht Jahren geschafft, nachdem sie 20 Jahre lang täglich 60 Zigaretten konsumiert hatte.

Was war für dich der Auslöser aufzuhören?

Ein fürchterlicher Alptraum, der mir klar machte, ich mach' mich kaputt. Am nächsten Morgen habe ich die Krankenkasse angerufen und mich zu einem Entwöhnungskurs angemeldet. Drei Monate Hölle. Aber es hat geklappt.

Wieso Hölle?

Na, die Entzugserscheinungen. Und dann der Druck im Kurs, sich mit seinen Gewohnheiten auseinanderzusetzen, sie zu hinterfragen, sich des eigenen Verhaltens bewußt zu werden ... Das gemeinsame Kämpfen in der Gruppe war das Wichtigste.

Seitdem clean geblieben?

Nur ein kurzer Rückfall im ersten Jahr, danach kein einziger Zug mehr. Ich könnte jederzeit wieder rauchen vom Gefühl her, vor allem, wenn's mir gut geht. Aber ich will nicht!

Claudia Hönck