Neue Platten aus Hamburg

Workshop - Talent

L'Age D'Or/EWM

„Kurt Schwitters goes Pop“ könnte als Motto über der Arbeit von Workshop stehen. Die jetzt vorliegende dritte Platte der Kölner Band, ihre erste bei L'Age D'Or, ist eine ansteckend frohgelaunte Klebearbeit mit Schnipseln aus der Welt der Unterhaltung. Die bei einem solchen Unterfangen höchst wichtige Harmonie der Elemente gelingt den beiden Collagisten Kai Althoff und Stefan Arby mit leichtem Händchen. Weder teutonische Wichtigtuerei noch jungsche Beliebigkeit stören ihr Werk.

Kindermelodien, Funkzitate, verlangsamte Techno-Hit-Refrains, Neu Deutsche Welle in der Spaßpresse, Volksmusik aus aller Welt, Sprach-Samples und Schüttelbeats werden vermixt, verfremdet, verulkt und verkoppelt. Die unverkrampfte Haltung zum kulturellen Erbe der Unterhaltungsindustrie führt dazu, daß Talent niemals nervt, wie so mancher deutscher Kunst-Pop, der angeblich nach neuen musikalischen Wegen sucht. Und kein Gesang wird nicht vermißt. Eine echt leckere Bonbontheke der Popmusik für die Tage, wo die Sonne durch die Jalousien scheint, der Chef endlich tot ist und der Zirpmuskel zuckt. Aber auch sonst.

tlb

Krakowczyk 5-tet - From Bop to New Age

Birdland Records

In den Zeiten Adenauers stellte „Live at the Birdland“ ein Gütesiegel dar. Für eine Plattenlänge stellte es dem Hörer eine progressive Gesinnung aus, denn jener nach dem 1955 verstorbenen Charlie Parker benannte Jazz-Club in Manhatten wirkte stilbildend für die Generation nach Bebop. Erst unter der scheinbar immerwährenden Regentschaft von Konrads Enkeln öffnete die Hamburger Birdland-Dependance ihre Pforten. Aus dieser Keimzelle, bereits durch den Namen mit reichlich Tradition aufgeladen, versucht man nun an die guten Zeiten des Jazz anzuknüpfen. Darum nimmt es kaum Wunder, daß die erste Platte aus dem Hause Birdland schon im Titel From Bop to New Age vorgibt, Musikgeschichte zu schreiben oder wenigstens zu beschreiben.

Doch beides will nicht recht gelingen. Das klassische Quartett (Saxophon, Klavier, Bass, Schlagzeug), um Bandleader Thomas Krakowczyk an der Klampfe angereichert, zeigt kaum „versatility“, stakst vielmehr steifbeinig durch die lauwarmen Gewässer des einförmigen „easy listening“. Das flutscht und zwingt das Ohr an keiner Stelle. Eine Platte für den üppigen Brunch, vielleicht mit Sekt und dressierten Paaren. Für jene, die solche Gepflogenheiten ausleben, liefert das Krakowczyk 5-tet Bedürfnisbefriedigung der alten Schule.

Volker Marquardt