Goil bangen können wichtig!

■ Die Hamburger Band „Prollhead“ heute wieder auf der Suche nach den letzten Rockern

Um einen Intellektuellen abzugeben fehlt euch das Durchhaltevermögen, die Gruft lockt nicht, weil ihr Schwarz nicht mögt, beim Headbangen habt ihr schon einige Gehirnzellen eingebüßt und nun wißt ihr nicht, welche ökologische Nische in der Szene noch offen steht? - Hier kommt die Lösung: Entdeckt den Proll in Euch!

Vier Musiker aus St. Pauli, die Prollheads, haben hier eine klaffende Marktlücke erkannt. Sie haben sich aufgemacht, dem allgemein in der deutschen Musikszene vorherrschenden Betroffenheitskult etwas entgegenzusetzen, was in bester Metaller-Manier „so richtig losgeht“.

Andi, der Sänger der Truppe, erklärt, welche essentiellen Grundbedürfnisse mit der Musik gedeckt werden: Rumprollen macht eigentlich jedem Spaß. Dieser Tatsache verdanken die Fußballstadien ihre Einnahmen von den eigentlich Fußballenthaltsamen und der Kiez die Quietschies aus der Vorstadt. Es gibt eigentlich kaum eine Band die gute deutsche Texte mit Rock verbinden und Spaß macht.

Also, Schluß mit dem verquasten Blödsinn und intellektuellem Geseiere, die Prollheads überzeugen auf ihrer CD Prall mit Texten für die ganze Familie: Mutti freut sich über die Einsicht, daß bei Frauen „innere Werte“ zählen, Vati schwärmt für die schöne Dealerin aus „Sie hats drauf“ und der Sohn schüttelt die schmierigen Haare zu „Rocker“. Rocker suchen die Prollheads allerdings immer noch mit der Lupe auf ihren Konzerten – handelt es sich hier wirklich um eine aussterbende Gattung aus dem Vorstadtbiotop, die das großartige Proletarier-Revival gar versäumt?

Prollhead kann auch ohne Streetcredibility jeder werden: der offizielle Fanklub nimmt alle auf, die bereit sind, ihren Mut auf Leben und Tod unter Beweis zu stellen. Neben den Tantalosqualen, einen Brunnenkresse-Sandwich zu verzehren, soll bereits ein gefahrenliebendes Mitglied vor der Roten Flora eine McDonalds-Tüte weggeworfen haben.

Obwohl die Kumpels von Prollhead tolerant gegen das äußere Erscheinungsbild sind, gibt es doch einige Tips für das soziale Mimikri: In der zu kleinen Jeansjacke steckt eine Drahtbürste, die Sicht blockiert eine Pilotenbrille, den Hals der Nackenspoiler und das Gesamtkunstwerk steht auf den schief abgelaufenen Absätzen von Cowboy- Stiefeln. Damit sich die Vorwürfe nicht häufen, daß diese Band zu häßlich sei, um wahr zu sein, sind die Prollettes in nunmehr dritter Generation mit der optischen Auflockerung betraut, denn was son richtiger Proll ist, der hat seine Schnalle immer im Gepäck, und wenn sie dann auch noch toll bangen kann, bleibt ja wohl kein Wunsch mehr offen.

Vera Schönfeld

Heute gemeinsam mit Abwärts in der Großen Freiheit, 22 Uhr