piwik no script img

"Ich fühlte mich als Erlöser"

■ Gestern begann der Prozeß gegen einen 33jährigen Klavierlehrer, der im religiösen Wahn eine Ex-Schülerin geköpft und seinen Nachbarn bestialisch getötet hat

„Ich bildete mir ein, Jesus Christus zu sein“, sagte der Klavierlehrer Bernhard R. dem Landgericht, vor dem er sich seit gestern wegen Doppelmords verantworten muß. „Aber mittlerweile sehe ich das anders.“ Der 33jährige Klavierlehrer soll am 25. Januar eine ehemalige Klavierschülerin erwürgt und enthauptet sowie Tage später seinen Wohnungsnachbarn brutal ermordet haben. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, daß er zu den Tatzeiten aufgrund einer paranoiden Schizophrenie schuldunfähig war. Seit Ende Januar ist er in einer Nervenklinik untergebracht.

Äußerlich wirkte Bernhard R. ruhig, als er sich ausführlich zu den grausamen Taten äußerte. „Ziemlich schnell“ habe er sich in Michaela M., der er bereits bei der ersten Klavierstunde sein Herz wegen „familiären Stresses“ ausgeschüttet habe, verliebt. Zum Jahreswechsel habe er aus eigenem Antrieb ärztlichen Rat bei einer Psychologin gesucht, weil er das Gefühl hatte, daß ihm was passiere. Seine religiösen Wahnvorstellungen aber hatte er verschwiegen. Bereits 1991 war Bernhard R., der zeitweilig einer Sekte angehörte, kurzzeitig in einer psychiatrischen Klinik gewesen, weil er glaubte, Jesus Christus zu sein. Nach einem letzten Gespräch mit der Psychologin am 24. Januar suchte Bernhard R., Vater zweier Kinder und damals noch verheiratet, einen Tag später Michaela M. in ihrer Wohnung auf, um mit ihr noch einmal über die Gründe für die Beendigung ihrer etwa einjährigen Beziehung zu reden. Bernhard R., der 1991 zum Islam übergetreten war, betete zu Allah, daß er ihm Hinweise zur Erlösung der 30jährigen Erzieherin gäbe.

Als Michaela M., der er bis Ende Dezember Klavierstunden gegeben hatte, „Gotteslästerungen“ geäußert habe, habe er sie gewürgt, ihren Kopf mehrere Male auf die Türschwelle gehauen und dabei laut zu Allah gebetet. Dann habe er versucht, Michaela M., die zu dem Zeitpunkt bereits tot war, den Halswirbel zu brechen. Als das nicht gelang, trennte er ihr den Kopf ab, um sicherzugehen, daß der Körper auch wirklich lebensunfähig sei, und legte ihn auf eine Wiese im Grazer Park. Schuldgefühle hatte er keine, da er sich einbildete, Jesus Christus der Erlöser zu sein. Am Abend des gleichen Tages suchte er seine Klavierschülerin Alexandria M. auf, erzählte ihr „im groben“, was er getan hatte, und bat sie um ein Alibi. Gegen die Klavierschülerin wurde ein Ermittlungsverfahren wegen versuchter Strafvereitelung eingeleitet.

Am Tag nach der Tat – Bernhard R. fühlte sich „nach wie vor als Erlöser“ – fand er, wie er sagte, in einem Wolkenbild Bestätigung und Anregung für einen weiteren Mord. In den Morgenstunden des 27. Januar suchte er seinen Nachbarn Dieter K. auf und erzählte ihm, daß er „etwas Schlimmes“ getan habe, wozu er „nicht das Recht, aber die Pflicht“ gehabt habe. Als K. anfing, über Gott zu lästern, sah er das als „Zeichen“, daß auch dieser erlöst werden müsse. Unvermittelt habe er den 40jährigen arbeitslosen Nachbarn, den er wegen Alkohol- und Nikotingenusses als sündig ansah, angefallen. Während er auf K. bis zu dessen Bewußtlosigkeit eintrat, habe er leise zu Allah gebetet, in der Überzeugung, daß dadurch, wie auch bei Michaela M., die Seele gerettet werde. Um sicherzugehen, daß K.s Seele auch wirklich frei werde, habe er ihm einen Schraubendreher bis ins Schädelinnere hineingestochen, woran dieser gestorben ist.

Bereits wenige Stunden nach der Tat verhörte die Polizei Bernhard R. wegen des Verschwindens von Michaela M. Bernhard R. gab an, sie seit Ende Dezember nicht gesehen zu haben. Einen Tag später vertraute er sich dem Wirt einer Pizzeria an, der die Polizei verständigte. Der Angeklagte, der noch einige Wochen später von der Richtigkeit seines Tuns überzeugt gewesen war, scheint sich durch die Behandlung in der Nervenklinik offenbar von seinen religiösen Wahnvorstellungen gelöst zu haben. Der Prozeß wird am Dienstag fortgesetzt. Barbara Bollwahn

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen