Politik hat versagt

■ ÖTV-Vorwurf: Bund, Berlin und Brandenburg blockieren Entscheidungen im Aufsichtsrat der Flughafen-Holding

Mit ihrer Uneinigkeit behindern die Länder Brandenburg und Berlin sowie die Bundesregierung die Luftverkehrspolitik. Diesen Vorwurf erhoben Kurt Lange, Vorsitzender der ÖTV, und Helmut Bojanowski, zuständiger Sekretär für die Beschäftigten bei Flughäfen und Luftverkehrsgesellschaften, im Gespräch mit der taz. „Die Streitereien“ der hinter diesen drei Gesellschaftern der Berlin Brandenburg Flughafen-Holding (BBF) stehenden „politischen Gruppierungen“ aus Ministern und Staatssekretären mache Einigungen nahezu unmöglich. Aufsichtsrat und Geschäftsführung der drei Flughäfen Tegel, Tempelhof und Schönefeld seien gelähmt, sagte der Gewerkschaftsvorsitzende. Lange und Bujanowski, die die Interessen der Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat vertreten, vermißten insbesondere Klarheit bei der Standortfrage eines neuen Großflughafens und einen verläßlichen Termin für das Aus von Tempelhof.

Welches Chaos im Aufsichtsrat herrsche, so Lange, zeige allein die Dauer der Sitzungen von acht bis neun Stunden. Andere Räte benötigten bei vergleichbar schwierigen Tagesordnungen die halbe Zeit. Die ÖTV setzt in den neuen Vorsitzenden Hans-Olaf Henkel, ehemaliger IBM-Chefmanager und designierter BDI-Präsident, die Hoffnung, daß er die Kontrollfunktion des Aufsichtsrats endlich herstellt. Sollte Henkel daran scheitern, wollte der ÖTV-Chef nicht ausschließen, daß „wir den Aufsichtsrat platzen lassen“. Denn ohne Kontrollmöglichkeiten mache es schließlich gar keinen Sinn, daß die Arbeitnehmer vertreten seien.

Hintergrund der massiven Kritik durch die Gewerkschaft ist die folgenschwere „Ackerland-Affaire“. Die Geschäftsführung der BBF hatte nördlich vom Flughafen Schönefeld 118 Hektar Landwirtschaftsfläche zu irrealen Preisen erworben. Bis 1997 soll der Holding deshalb ein Defizit von 900 Millionen Mark drohen. Der Berliner Rechnungshof hat in einem Bericht den Vertretern der Landesregierung schwere Versäumnisse vorgeworfen. Das Abgeordnetenhaus hat gestern einen Untersuchungsausschuß eingesetzt, um diese Vorwürfe aufzuklären. ÖTV-Chef Lange räumte bei dem Spekulationsskandal Fehler auch bei der Arbeitnehmerseite ein: „Das war eine Nummer zu groß für die gewerkschaftlichen Vertreter.“ Sie seien allerdings diejenigen gewesen, die die Immobilienspekulation auf die Tagesordnung gesetzt hatten – als die BBF-Geschäftsführung die Mitglieder des Aufsichtsrats per Fax bat, Grundstückskäufen in Höhe mehrerer Millionen Mark zuzustimmen.

Lange ist optimistisch, daß ein Verkauf der Grundstücke das drohende Defizit erheblich mindern oder gar abwenden könnte. Sollte sich die Holding entscheiden, Schönefeld-Süd als Standort für den Großflughafen zu wählen, würden die Grundstückspreise steigen. Sollte der Großflughafen wiederum südlich von Berlin entstehen, stünde das Ackerland für den Wohnungsbau zur Verfügung. Auch dann könnten die Grundstücke für den durchschnittlichen Einkaufspreis von 330 Mark pro Quadratmeter veräußert werden. Dirk Wildt