BVG-Triumph-Zug ist weg vom Fenster

■ Nach nur drei Tagen mußten die neuen Niederflur- Straßenbahnen wieder aus dem Verkehr gezogen werden

Ein verkehrspolitischer Triumph-Zug endete mit einer eklatanten Pleite. Als die BVG am 26. August ihre ersten vier Niederflur- Straßenbahnen mit stufenlosen Eingangsbereichen in Betrieb nahm, sollte eine neue Ära im öffentlichen Nahverkehr Berlins anbrechen. Diese Ära fand jedoch bereits drei Tage nach der Premiere ihr vorläufiges Ende, als die Straßenbahnen aus Sicherheitsgründen aus dem Verkehr gezogen wurden, wie die taz jetzt erfuhr.

Ohne sofort erkennbare Ursache waren am ersten Einsatzwochenende zwei der Vorzeige- Trams auf dem Weg zum Betriebshof Marzahn aus den Gleisen gesprungen. Die erste Entgleisung hatte sich bereits am Tag der publikumswirksam inszenierten Jungfernfahrt ereignet. Nach dem zweiten Zwischenfall veranlaßte die AEG, Hersteller der Züge, exakte Vermessungen der betroffenen Gleisbereiche. Auch interne Untersuchungen zu möglichen Ursachen wurden in die Wege geleitet. Am 10. September tagte auf dem Betriebshof Marzahn eine Expertenrunde. Das Ergebnis: Nicht die Gleisanlage bildet den Grund für die Ausbrüche der Züge, sondern die Konstruktion des Fahrgestells. Dazu Wolfgang Göbel, Pressesprecher der BVG: „Das ist nicht unser Problem, sondern das der AEG.“ Diese sei nun am Zuge und müsse dafür Sorge tragen, daß die Niederflur-Trams betriebstüchtig gemacht würden.

Bei der AEG wird seither fieberhaft geprüft und untersucht. Zu endgültigen Ergebnissen kam man in Hennigsdorf allerdings noch nicht. „Sicher ist nur, daß der Haken sich irgendwo an der Schnittstelle Rad–Schiene befindet“, verkündete Elke Hasenecker, Pressesprecherin der AEG. Die Expertenrunde hatte sich in ihrem Resümee konkreter geäußert: „Die Kräfteverteilung auf die Räder stimmt nicht.“ Offensichtlich also ein Konstruktionsfehler.

Lösungsvorschläge seien bereits in Arbeit, versicherte Hasenecker. Diese müßten jedoch erst einmal mit der BVG besprochen werden. Noch in diesem Monat werde es zu Probefahrten kommen, hoffen die Pressesprecher von BVG und AEG. „Wann die Niederflur-Bahnen allerdings wieder den regulären Betrieb aufnehmen können“, so Göbel, „ist noch unklar.“

Für Michael Cramer, Abgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen, kam das Berliner Straßenbahn- Debakel nicht überraschend: „Weil das Beste nicht gut genug war, müssen mit den neuen High- Tech-Zügen nun nicht nur unnötig hohe Ausgaben, sondern auch die Kinderkrankheiten der unerprobten Technik in Kauf genommen werden.“ Zwar werden die Berliner Modelle bereits seit einiger Zeit in Bremen eingesetzt, wo es keine technischen Pannen gab, doch die BVG hatte andere Räder für ihre Trams bestellt. Lars Klaaßen