Zwischen den Rillen
: Fuck-Ökonomie

■ Mit Super-Models auf du und du: „Whip-Smart“, die zweite LP von Liz Phair

Pop-Feminismus ist eine Art paradiesischer Zustand, in dem sich alles sagen läßt: Wenn Liz Phair Sex und Rock 'n' Roll und die Freiheit aller bestmöglichen Stellungen besingt, warnt kein X auf dem Cover vor expliziten Lyrics der besagten Generation. Während MTV jedes Rap-Gemurmel flächendeckend zupiepst, sobald vom Fuck die Rede ist, darf der neue Freund von Phair wie ein Vulkan losficken und es backward tun, damit beide dann dabei besser Fernsehen gucken können. Liebesgrüße aus Seattle, auch wenn das Ganze im Underground von Chicago abgeschickt wurde, wie der Spiegel unlängst entdeckt hat.

Was Phair mehr aus dem Bravo-Tagebuch einer Slacker-Amazone frech und blümchensexfrei zusammendichtet, wird andererseits als neue Frauen-Fantasien sehr ernst genommen. Barbara O'Dair vom Rolling Stone urteilt durchaus begeistert über „Whip- Smart“ und das Vorgänger-Album „Exil in Guyville“, und erklärt, daß hier Paarung nur Mittel zur Produktion sei und deshalb klug gewählte Konstruktion. Das eine Wort fällt lediglich in den ersten zwei Songs auf „Whip- Smart“, in den restlichen Liedern denkt Liz Phair nur daran, trotzdem schwelt es überall. Fuck- Ökonomie. Der Sex, den Phair beschreibt, ist in Wirklichkeit gar kein flüchtiges Vergüngen, sondern ein Quell der Inspiration. Und „Fuck and Run“ spiegelt nicht die ängstlichen Gefühle von grungenden Teenager-Grrrls wider, nur die Dialektik eines bisher angeblich sprachlosen weiblichen Begehrens.

Ganz ohne Blumen geht es also nicht: Phair läßt die Frau raus, ohne ihre Unschuld verlieren zu müssen. Sie hüllt sich vielmehr in die Gleichgültigkeit von Bedeutungen, die in den derzeitigen Gender-Diskurs passen – das four-letter word heißt nun eben nicht mehr just love wie in Dylans Song, den Joan Baez gesungen hat, sondern postfeministisch fuck, jedenfalls wenn der Kontext es will.

Aber auf Platte klingt das Ganze dann doch irgendwie anders, musikermäßig: Zu lässig werden auf „Whip-Smart“ Gitarrenakkorde in Folge geschrammt, auf die alle Jungs aus ihrer Straße wohl ziemlich stolz gewesen wären.

Liz Phair spielt nicht die Hofschranze der Frauenbewegung, sie ist eine relativ nüchterne, nur etwas komplizierte Songwriterin, ein bißchen in der Tradition von Carole King und zugleich mit den Runaways sozialisiert. Dann wieder löst sich die ganze Überdachtheit im amerikanischen Post- Punk auf: ein wenig melodisch gekrümmt wie aus dem wüst grummelnden Bauch von Frank Black oder PJ Harvey heraus, als hysterische Sonic-Youth-Maschine oder wie exzentrische Minnelieder, die früher nur Kramer für Bongwater als „Power of Pussy“ geschrieben hat.

Jedenfalls war kein Style Council in Arbeit und nirgends ein „Headstart for Happiness“: Wuchtig sausen die angezerrten Gitarren des white trash vorüber, und freundlich klingt die Stimme, die dazu in einem Atemzug von Irrungen, Wirrungen, One- Night-Stands, Stiefellecken und Seilhüpfen singt. Eine Platte fürs College Radio, und danach Viva la Revolución!, aber hopphopp.

Nun ist „Whip-Smart“ aber bei einer Major-Company erschienen und als Mainstream-Girlims-LP in die US-Charts eingestiegen, die Promo-Tour durch Europa wurde wegen massiver Interviewnachfragen in Amerika gestrichen. Anders als L7, Babes in Toyland oder Courtney Love und Hole rangiert Liz Phair bereits mit dem zweiten Album unter den Super-Models des angry feminism.

Wie die unsicher männermordende Patricia Arquette im Film „True Romance“ oder die Österreicherin Elke Krystufek, die in Museumsvitrinen masturbiert, scheint Phair als Gefühlskämpferin momentan die Lücke zwischen Strategie und Vergnügen aufzufüllen. Liz Phair redet nicht über ideologische Rätsel, sondern in Gegensätzen. Die Rolle der konsequent im Bett agierenden Folkpunk-Diva bricht sich mit den unglaublich naiven Sätzen aus „Support System“, wo Phair vom „man of action“ träumt, der ihre Sexualität bestätigen und nicht bloß unterstützen soll. Aber vielleicht gehören zur Identität immer zwei, so wie auch Patti Smith' frühe Gedichte noch um den Schwanz von Jagger kreisten.

Harald Fricke

Liz Phair: Whip-Smart (Matador; Atlantic)