Gysi: Keine Kungelei mit der Stasi

■ Fall Robert Havemann: Gysi weist die Stasi-Vorwürfe des Schriftstellers Jürgen Fuchs zurück / Für Katja Havemann, Witwe des Regimegegners, betreibt der PDS-Mann "unerträgliche Wahlwerbung"

Berlin (taz) – Gregor Gysi wehrt sich. In langen Beiträgen, gestern in der Wochenpost und am Mittwoch in der Frankfurter Rundschau, weist der Bundestagsgruppenchef der PDS die Vorwürfe zurück, die der Schriftsteller Jürgen Fuchs an gleicher Stelle eine Woche zuvor gegen ihn erhoben hat. Kungelei mit der Stasi, Mandatsverrat und Vergangenheitsverfälschung hatte Fuchs dem Rechtsanwalt und Bonner PDS-Frontmann vorgehalten. Er schrieb: „Vor einem möchte ich heute warnen, weil er lügt ... Ich möchte nicht, daß Leute wie Gysi als Abgeordnete im Bundestag sitzen.“

Gysi kontert. Er reiht die Vorwürfe des aus der DDR ausgebürgerten Oppositionellen in die Wahlkampfstrategien der Parteien ein: „Die CSU fordert unser Verbot, Kohl bezeichnet uns als ,rotlackierte Faschisten‘, SPD und Bündnis 90/ Grüne versichern jeden Tag, nichts mit uns zu tun haben zu wollen, und die Wochenpost und J. Fuchs wollen auch termingerecht ihren Beitrag leisten.“

Die Auseinandersetzung zwischen Fuchs und Gysi dürfte für den durchschnittlichen Leser kaum noch nachzuvollziehen sein. Im wesentlichen erhebt Fuchs den Vorwurf, Gysi habe bei der Verteidigung des prominenten Regimegegners Robert Haveman Ende der siebziger Jahre hintergangen. Er habe, und dies gehe aus den Unterlagen der Staatssicherheit hervor, die Inhalte von Vier-Augen- Gesprächen mit seinem Mandaten an die Stasi verraten.

In einem Dokument der Stasi- Hauptabteilung XX vom 28. Juni 1979, auf das sich Jürgen Fuchs stützt, heißt es unter der Überschrift „Auszug aus einem Bericht“: „Am 27. 6. 1979 habe ich Prof. Havemann auf seinem Grundstück in Grünheide getroffen ... In diesem Zusammenhang gab es auch eine Diskusion, ob nicht Leute wie er Gesinnungsgenossen als Verteidiger haben müßten. Ich konnte ihm das relativ rasch widerlegen, weil ich ihm erklärte, daß dann jeder Mörder einen Mörder zur Verteidigung haben müßte ... Ich habe ihm dann noch einmal eindeutig gesagt, daß ich keinerlei Weisung von irgendwelchen Organen hinsichtlich der Art und Weise seiner Verteidigung hätte ...“ Der Stasi-Vermerk endet mit dem Satz, „wegen Quellengefährdung offiziell nicht auswertbar“. Entscheidend an dem Dokument ist, daß es weder aufgrund einer elektronischen Überwachungsmaßnahme noch nach einem Bericht eines auf Gysi angesetzten Spitzels zustande gekommen sein kann.

In seiner Replik beanstandet Gysi nun, der Vermerk gebe nicht einmal in verschlüsselter Weise an, „durch wen das MfS in den Besitz gelangte“. Tatsache sei, „daß ich einen Vermerk fast gleichen Inhalts für meine Handakte ,Havemann‘ gefertigt habe. Die Handakten der Kollegiumsanwälte konnten angemeldet und unangemeldet im Rahmen einer Revision eingesehen und kontrolliert werden.“ Ihm sei bewußt gewesen, „daß es in der Umgebung von R. Havemann verschiedene ,Quellen‘ gab“. Er habe darüber hinaus auch mit der Entschlossenheit der staatlichen Organe rechnen müssen, ihm – wie seinem Vorgänger als Havemann- Verteidiger – im Falle eines Fehlers die Zulassung als Rechtsanwalt zu entziehen. „Mit dem Vermerk für meine Handakte habe ich versucht, mich zu ,schützen‘. Es war mir wichtig, alles so darzulegen, daß mir keine Verletzung von Gesetzen oder des Standesrechtes vorgeworfen werden konnte.“ Wie der Vermerk zur Stasi gelangte, bleibt ungeklärt. Eidesstattlich hat Gysi versichert: „Auf keinen Fall durch mich.“ Als weiteres Argument führt Gysi das Datum des Dokumentes an.

Erst 1980 habe die Stasi beabsichtigt, ihn als inoffiziellen Mitarbeiter anzuheuern – wozu es nach Angaben Gysis aber nie gekommen ist. Als „undenkbar“, hält er in diesem Zusammenhang Fuchs entgegegen, „daß ich schon ein Jahr und drei Monate vorher ohne jegliche Registrierung mit der Hauptabteilung XX des MfS zusammengearbeitet habe“.

Für Katja Havemann, die Ehefrau des 1982 verstorbenen Regimekritikers, sind Gysis Erklärungen nicht überzeugend. Gysis Texte, schrieb sie an die taz, betrachte sie „als einen wiederholten Versuch des Autors, seine wirkliche Rolle in der Zeit – zu der Robert Havemann und seine Freunde in Ost und West den niederträchtigsten Bearbeitungs- und Zersetzungsmaßnahmen durch das MfS ausgesetzt waren – falsch darzustellen“. Unerträglich finde sie, „daß Herr Gysi mit seiner Anwaltschaft für Robert Havemann wahlwerben läßt“. Eindeutig ergreift die Witwe Partei für Schriftsteller Fuchs: „Glücklicherweise hatte Robert Havemann zuverlässige Verteidiger. Einer von ihnen ist Jürgen Fuchs.“ Wolfgang Gast