Anarcho-Opas treffen piepsende Krabben

■ „Der stürmische Norden“: 19 Comic-ZeichnerInnen aus dem Norden in einem Band

Erschreckt hopsen Schwämme über die Reling, Krabben piepsen „lot mi ruut hiä!“, der blanke Hans leckt „rein inne Bucht, raus ausse Bucht – die Sau“, und Opa schreit: „Wer hat uns verraten? Die Sozial-Demokraten!“ Anarcho-Punks wollen Piraten werden, Hinnerk Klodschiete dirigiert derweil anstelle von Justus Frantz das Schleswig-Holstein-Musikfestival in Klein Kummerfeld, gehörig zur Gemeinde Groß Kummerfeld. Alles erlogen?

Fast nichts. Politische Großväter, abenteuerlustige junge Männer und der blanke Hans, der lebensbedrohliche Sturm der Nordsee – all dies ist Realität. Auch das kleine Dörfchen mit dem sorgenvollen Namen Kummerfeld gibt es im Norden der Republik. Da wohnt Lutz Mathesdorf. Er stellte den Comic-Sammel-Band Der stürmische Norden zusammen, der diejenigen ZeichnerInnen noch einmal vorstellt, die im vergangenen Jahr in Hamburg ihre Werke unter gleichem Namen in der Abriß-Galerie ausstellten. Mittlerweile sind einige neue Werke hinzugekommen, beispielsweise der gelungene „Matrosenaufstand“ von Stefan Westphal und das nuancenreiche „Strandhotel“ von Markus Huber.

Achterbahn-Mitarbeiter Lutz Mathesdorf ist zwar selbst mit der Justus-Frantz-Parodie in dem Comic-Sampler vertreten, sieht sich aber eher als „Gruppenleiter der ganzen Angelegenheit“: Er initiierte die gelungene Comic-Sammlung, die „basisdemokratisch“ entstand. So wurde unter den 19 Mitwirkenden abgesprochen, wer wieviel Platz bekommt. „LPG-mäßig“ wurde laut Mathesdorf allerdings entschieden, daß der Lohn für alle gleich sein sollte. Bei manchen der Kurz-Geschichten mag das ungerecht erscheinen, schließlich gibt es einige exzellente Arbeiten und solche, die den Norden eher als Domäne von Dummsinn oder als Brösel-besetztes Land darstellen.

Nicht nur inhaltlich stellt der Band eine große Bandbreite des kreativen Schaffens im Norden vor. Auch zeichnerisch gibt es große Unterschiede: Vom expressiven Stil – schwungvoller, zackiger Strich, coloriert in Pastelltönen (Dirk Schultze) – bis hin zum schwarz-weißen Funny-Stil (Harald Tiedemann) ist alles vertreten. Stilistisch herausragend sind die holzschnittartigen Arbeiten von Evelyn Hantel sowie die fetten und trotzdem differenzierenden Kontrast-Flächen von Markus Huber.

Auffällig in jeder Beziehung ist Markus Winters „Holger Bröse“: Zeichnerisch eigenwillig mit klarem Strich und einer Farbmisch-technik erzählt er uns eine böse Geschichte, die sprachlich und teilweise auch zeichnerisch auf den Moralisten Wilhelm Busch zu zielen scheint, diesen an Zynismus aber weit hinter sich läßt. Überlesen und -blättern kann man hingegen getrost die Cartoons von Klaus Wilhelm Kühnhold – Marke Herrenwitz – sowie Maikel Das' pubertäre Zukunftsvision „Sperrzone Eiderstedt“ oder das kindliche Werk von Bernd Stein (“Der Tag, an dem die Käfer kamen“). Greta Eck

Der stürmische Norden, Achterbahn Verlag; 19,80 Mark.