■ Bücher.klein
: Kelly und Beuys

Was wäre, wenn Rudi Dutschke als Bündnis-90- Kandidat gegen Gregor Gysi anträte, wenn, wie 1980, der Mann mit dem Filzhut, und nicht eine professionelle PR- Agentur die Grünen-Wahlplakate mitentwürfe, oder wenn Petra Kelly heute im Europaparlament zur Sprache brächte, was den Grünen eben diese oft zu verschlagen scheint: Bosnien, Ruanda, Kuba, Haiti ...

Die ersten Jahre der Grünen sind in ihrer programmatischen Entwicklung nicht ohne die drei vorstellbar, die letzten Jahre vielleicht nur ohne sie. Nostalgische Träumereien liegen nicht in der Absicht der posthumen Veröffentlichung Kellys und Beuysens (Dutschke wird von beiden erwähnt). Das Buch ist eher ein Versuch, theoretische Wurzeln der grünen Gründerzeit ins politische Gedächtnis zurückzurufen.

Die Umgestaltung der Gesellschaft als künstlerischer Prozeß – das wurde immer mehr ein Thema von Beuys, der aus dem musealen Kunstverständnis ausbrach, das war sein Aufruf an alle: als Künstlerinnen und Künstler an der sozialen Skulptur einer ökologischen und demokratischen Gesellschaft mitzuwirken. Nirgends sonst kann man ihn so um Allgemeinverständlichkeit bemüht, um seinen „erweiterten Kunstbegriff“ werben hören wie hier, auf einer Wahlveranstaltung der Kemptener Grünen am 26. August 1982. Der Herausgeber hat die skeptischen und hartnäckigen Nachfragen der Versammlung mitdokumentiert. „Jeder Mensch ist ein Künstler.“ So konnten Wahlveranstaltungen sein!

Und Petra Kelly? In einem Vortrag 1992 spricht sie an, was nicht nur der vereinigten Republik, sondern auch den Grünen mit den Jahren abhanden gekommen ist: „...der Gleichklang von künstlerischer und gesellschaftlicher Veränderung. Daran fehlt es heute sehr – innerhalb der grünen Bewegung und auch innerhalb der gesamtdeutschen Gesellschaft. Ich sehe kaum mehr die Umsetzung künstlerischer und gesellschaftlicher Energien für eine erneuerte Demokratie und für eine ökologische pazifistische Gesellschaft. Ganz viele Teile der bundesdeutschen Gesellschaft sind apathisch und gleichgültig geworden.“ Ali Schmidt

Kelly/Beuys: „Diese Nacht, in die die Menschen ...“. Hrsg. von Rainer Rappmann. FIU-Verlag, 28 DM