Öko-Kapitalismus am Horizont

■ Tagung am BITZ: In Zukunft „produktionsintegrierter Umweltschutz“

Die Industrieländer stehen vor einer grundsätzlichen Veränderung im Umweltschutz. „End of pipe“-Strategien, die nur auf eine Vermeidung von Umweltschäden durch die Installierung von Filter- oder Kläranlagen setzen, werden bald ausgedient haben. Das neue Zauberwort heißt „integrierter Umweltschutz“: Die Produktion so zu verändern, daß Schadstoffe gar nicht erst anfallen. Und das Beste daran: Diese Art von Umweltschutz wird im Gegensatz zu den herkömmlichen Strategien nicht nur Geld kosten, sondern die Betreibe effizienter arbeiten lassen. Mit einem Umdenken in Wirtschaft und Behörden zeichnet sich ein Öko-Kapitalimus am Horizont ab, meinten die TeilnehmerInnen des Colloquiums „Produktionsintegrierter Umweltschutz“ im „Bremer Innovations- und Technologie-Zentrum“ (BITZ).

Integrierter Umweltschutz, so Joseph Huber, Professor für Soziologie an der Universität Halle, wird am deutlichsten bei seinem Gegenteil, dem bisher praktizierten nachgeschalteten Umweltschutz. Typisch dafür: Abwässerklärung, der Katalysator beim Auto oder die Abluftfilter an Schornsteinen. Doch Filter beheben die Probleme nicht, sondern verlagern sie nur. Schließlich muß der ausgefilterte Dreck ja auch irgendwo verbrannt oder gelagert werden. „Beim integrierten Umweltschutz geht es darum, Emissionen vorsorgend von vornherein zu vermeiden oder zu mindern. Dies beinhaltet Änderungen der Produktionsprozesse ebenso wie der Produkte und ihrer stofflichen Zusammensetzung,“ meint Huber. „Integrierter Umweltschutz bedeutet Innovation von besser umweltverträglichen Produkten und Verfahren sowie die Substitution von problematischen Stoffen durch weniger problematische.“ Beispiele: Der Umstieg von Atom- und Kohleenergie auf regenerative Energiequellen, Ersatz von FCKW in Kühlschränken oder Asbest in Bremsbelägen. Integrierter Umwelzschutz heißt auch, führte Huber aus, durch die Optimierung von Produktionstechniken die Effizienz zu steigern und Rohstoffe und Energie zu sparen.

Ein wichtiger Anstoß für diese Art von Veränderung ist auch die „Öko-Audit-Verordnung“ der EU, die im April 1995 in Kraft tritt. Die Verordnung und ihre Umsetzung stand ebenso auf der Tagesordnung im BITZ wie ein Beispiel für integrierten Umweltschutz im „Bremer Auto-Recycling Projekt“. In diesem Pilotprojekt werden jährlich 5000 Autos umweltgerechnet auseinandergebaut und wiederverwertet. Bei der Umsetzung der „Öko-Audit-Verordnung“ will der grüne Umweltsenator Bremen als Vorreiter profilieren. Bisher gibt es bereits Öko-Bilanzierungen bei Bremer Werften, bei Kaffeeverpackungen im Hause Jacobs-Suchard und Hilfen für Investitionsentscheidungen für kleine und mittlere Unternehmen im Eletromotorenbau. Bremer Betriebe, die sich am „Öko-Auditing“ beteiligen, sollen durch ein Bremer Förderprogramm finanziell unterstützt werden, kündigte Fücks an. Mit der Öko-Audit-Verordnung können Unternehmen europaweit nach ähnlichen Kriterien von kompetenten Gutachtern ihre Produktion unter die grüne Lupe nehmen lassen. Das Durchforsten des Produktionsprozesses nach ökologischen Schwachstellen soll nicht nur fürs Öko-Image der Firmen gut sein, sondern sie auch auf Punkte hinweisen. wo Energie, Rohstoffe und Arbeitskraft vergeudet werden.

Denn intergrierter Umweltschutz, da ist Huber sich sicher, rechnet sich für die Unternehmen: „Nachgeschalteter Umweltschutz bedeutet stets verlorene Zusatzkosten. dies verschlechtert die Produktiviät und darüber die Wettbewerbsfähigkeit und die Sicherheit der Arbeitsplätze. Integrierter Umweltschutz bedeutet zusätzliche produktive Investitionen, welche im Erfolgsfall die Wettbewerbsfähigkeit, Produktivität und Ertragsstärke steigern können.“ Das „kaufmännische Fazit“ des Professors sieht so aus: „Nachgeschaltete Maßnahmen belasten grundsätzlich, weil sie immer Geld kosten, während die integrierten auch Geld einbringen und sich so bezahlt machen können.“

Das „end of pipe“-Prinzip stößt inzwischen an seine Grenzen, da waren sich Huber, Umweltsenator Fücks und die meisten TeilnehmerInnen einig: In den Industrieländern sind inzwischen per Umweltgesetze inzwischen alle wichtigen Bereiche abgedeckt und selbst minimale Verbesserungen bei den Filteranlagen oft nur noch durch extrem hohen Aufwand zu erreichen. Wenn die Unternehmen nur die Zeichen der Zeit erkennen, werde es zu einer „ökologischen Modernisierung der Industriegesellschaft“ kommen, meint Huber, weil sich Investitionen in den Umweltschutz „Vorteile im Leistungswettwerb, im Kostenwettbewerb sowie in der Personal- und Organisationsentwicklung“ ergeben werden. „In einer Steigerung der Umweltproduktivität liegt in gleicher Weise eine Quelle von Gewinn und gutem Leben: Eine ökologische Marktwirtschaft bildet sich heraus.“ bpo