Polizei drohte mit Freilassung

■ Polizeipräsident: Abschiebehaft „menschenunwürdig und verfassungswidrig“ / Heckelmann wälzt Verantwortung ab

Noch immer werden in Berlin Abschiebehäftlinge zu acht in 14 Quadratmeter engen Räumen eingesperrt. Die Zellen dürfen sie pro Tag nur eine Stunde lang verlassen. Polizeipräsident Hagen Saberschinsky benachrichtigte deshalb vor vier Wochen den zuständigen Leiter des Landeseinwohneramtes, Hubertus Benner, und schrieb zwei Wochen später Innensenator Dieter Heckelmann (CDU). In diesem Brief, über den die Berliner Zeitung am Wochenende berichtete, bezeichnete der Präsident die Unterbringung in der Abschiebehaftanstalt in der Hans-Beimler- Straße in Mitte und in der Gothaer Straße in Schöneberg als „menschenunwürdig und verfassungswidrig“. Doch Amtsleiter und Innensenator haben darauf längere Zeit nicht reagiert. Deswegen drohte die Polizei nach Informationen der taz an, Abschiebehäftlinge zu entlassen.

Daraufhin leistete Justizsenatorin Lore-Maria Peschel-Gutzeit (SPD) am vergangenen Freitag erneut Amtshilfe und übernahm sieben Häftlinge, die offenbar auch aufgrund der entwürdigenden Situation suizidgefährdet sind. Doch die Stimmung in der Großen Koalition scheint sich dem Nullpunkt zu nähern. Nach Informationen der taz hat Heckelmann der Justizsenatorin zuvor in einem Telefongespräch gedroht: Wenn sie die Häftlinge nicht nehme, mache er sie „für das Schicksal und notfalls für den Tod der Betroffenen verantwortlich“. Die Senatorin soll darauf ihrem Kollegen mit einem zornigen Brief geantwortet haben.

Heckelmann versucht mit seiner Drohung offenbar, von der eigenen Unfähigkeit abzulenken. Denn die Justizverwaltung ist für die Unterbringung von Abschiebehäftlingen nicht zuständig, zumal die Untersuchungshaftanstalten überbelegt sind. Dabei war die Justizsenatorin Heckelmann schon einmal entgegengekommen. Dieselben sieben Häftlinge durften bereits am 21. Juli nach Moabit wechseln. Zuvor hatten abgelehnte und von der Polizei in Gewahrsam genommene Asylbewerber die unerträglichen Haftbedingungen mit mehreren Hungerstreiks öffentlich machen können.

Um die höchste Not zu lindern, hatte Peschel-Gutzeit die Häftlinge bis 16. September in ihren Verantwortungsbereich übernommen, auch um Heckelmann drei Monate Zeit für Verbesserungen zu lassen. Bis Mitte vergangenen Monats sollte Heckelmann außerdem dem Senat Bericht erstatten – doch dieser Bericht liegt bis heute nicht vor. Eine Drucksache soll zwar von verschiedenen Verwaltungen gegengezeichnet sein, doch wird der Fortgang offenbar von der Polizei blockiert. Die Polizeiführung soll sich massiv dagegen wehren, Abschiebehäftlinge längerfristig unterbringen zu müssen.

Der Vorsitzende des Innenausschusses, Dieter Hildebrandt (SPD), wollte gestern ein Interesse seitens der Innenverwaltung an unzureichenden Haftbedingungen nicht ausschließen: „Vielleicht macht der Senator damit Politik.“ Nach seiner Schätzung handelt es sich bei den betroffenen Ausländern um einen Kreis von zwischen 10 und 50 Personen.

Heckelmann hat inzwischen auf fragwürdige Weise reagiert: In einem Schreiben hat die Innenverwaltung die Europa-Grünen gebeten, den gewünschten Termin für den Besuch eines Abschiebeknastes auf die Zeit nach der Bundestagswahl zu verlegen. Dirk Wildt