: Hilflos gegen Heckenschützen
■ Beschuß einer Straßenbahn in Sarajevo fordert ein Todesopfer / UNO verstärkt Patrouillen auf der "Heckenschützen-Allee" / Weiter Streit um "Massaker" eines Stoßtrupps der bosnischen Armee
Sarajevo (AP/taz) – Ein Passant getötet, zwölf Menschen, darunter fünf Kinder, schwer verletzt. Das ist die Bilanz der Gewalt von Sarajevo an diesem Samstag. Serbische Heckenschützen hatten im Zentrum Sarajvos, auf der Straße Vojvode Putnika, eine Straßenbahn unter Beschuß genommen. Die für die Abwehr zuständige Blauhelmtruppe konnte das Feuer nicht erwidern, da sie nicht wußte, woher es gekommen war. Ministerpräsident Haris Silajdžić nannte den Vorfall einen weiteren Beweis dafür, daß die UNO zu wenig tue, um die bosnischen Serben zur Einhaltung ihrer Resolutionen zu bewegen. Nach dem Überfall, der gegen ein Abkommen der Kriegsparteien vom August verstößt, das jede Heckenschützentätigkeit unterbinden sollte, stellten die Behörden den Straßenbahnbetrieb und den sonstigen öffentlichen Verkehr ein. Panzerfahrzeuge und zusätzliche Patrouillen sollen nun die Kontrolle der „Heckenschützen-Allee“ verstärken.
Wiederaufgenommen werden konnte trotz der wieder zunehmenden Gewalt die Luftbrücke in die bosnische Haupstadt. Zwar hatte es nach dem Beschuß von zwei Flugzeugen am Samstag zunächst erneut nach einer längeren Unterbrechung ausgesehen, doch am Sonntag morgen konnten elf Flugzeuge aus Ancona und Split in Sarajevo landen. Im Laufe des Tages sollten 20 Maschinen die Stadt mit Nahrungsmitteln beliefern.
Mit Flugzeugen wird Sarajevo zu 80 Prozent versorgt. Hilfskonvois erreichten die Stadt nicht mehr seit dem 22. September, als die Nato einen Panzer der bosnischen Serben aus der Luft angegriffen hatte. Wegen dieses Vorfalls war zunächst auch die Luftbrücke ausgesetzt worden, die Lebensmittel waren bis zu den gestrigen Flügen auf einen Dreitagevorrat zusammengeschrumpft.
Der bosnische Präsident Alija Izetbegović zeigte sich unterdessen empört darüber, daß die Blauhelme 500 seiner Soldaten aus der entmilitarisierten Zone um Sarajevo ausgewiesen haben. In der Zone waren am Donnerstag die Leichen von 20 bosnischen Serben, darunter vier Krankenschwestern, entdeckt worden. Der Präsident forderte vor Journalisten eine Entschuldigung des UNO-Beauftragten Yasushi Akashi, der erklärt hatte, die Serben seien massakriert und ihre Leichen verstümmelt worden. Die UNO hatte diese Darstellung am Freitag zurückgezogen. Serbenführer Radovan Karadžić wies der Uno eine direkte Verantwortung für den Angriff zu. Die bosnischen Serben wollen bis Mittwoch entscheiden, ob sie weiter mit der UNO zusammenarbeiten. Der Angriff auf die Straßenbahn in Sarajevo erfolgte während der Beerdigung der 20 Opfer des bosnischen Überfalls. her
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