„Operation Wüstenbrise“ am Golf

■ 20.000 irakische Soldaten stehen vor Kuwait / Bill Clinton schickt Truppen und Flugzeugträger

Kairo (taz) – Vier Jahre nach dem irakischen Überfall auf Kuwait und der anschließenden „Operation Wüstensturm“ drängeln sich am Golf wieder Soldaten. Nachdem am Wochenende irakische Truppen bis auf 50 Kilometer an die Grenze Kuwaits vorgerückt waren, ließ Bill Clinton US-Militärs aufmarschieren. Nach US-Angaben stehen 20.000 Iraker 16.000 US-Amerikanern gegenüber. – Nach Informationen der US-Aufklärung sollen in den letzten Tagen 350 irakische Panzer im Süden des Landes Stellung bezogen haben. Augenzeugen im Irak berichten von Panzerkolonnen, die in Richtung der entmilitarisierten Zone zwischen dem Irak und Kuwait rollen. „Innerhalb einer knappen Stunde könnten sie in Kuwait einmarschieren“, ließ US-Verteidigungsminister William Perry verlauten.

Der UN-Sicherheitsrat drückte in der Nacht zum Sonntag seine „tiefe Sorge“ aus. US-Präsident Clinton schickte 4.000 US-Marines nach Kuwait. Sie verstärken 12.000 US-Soldaten, die bereits in dem Golfemirat stationiert sind. Perry befahl gestern die Verlegung von Jagdbombern und Awacs-Aufklärern in die Region. Nach Angaben aus dem Pentagon sind auf im Golf stationierten US-Schiffen 2.000 Tomahawk-Raketen installiert, die Bagdad erreichen können. Der US-Flugzeugträger „George Washington“ ist auf dem Weg vom Mittelmeer zum Golf. Eine britische Fregatte hat inzwischen ebenfalls ihr Ziel am Golf erreicht. Teile der französischen Armee sind in Alarmbereitschaft.

Im Laufe des gestrigen Tages schlugen Zivilisten unmittelbar an der Grenze zu Kuwait ihre Zelte auf. Zur Mittagszeit wurden bereits 1.000 Zelte gezählt. Beobachter erwarten, daß die Zeltstadt in den nächsten Tagen auf 6.000 Zelte mit 20.000 Zivilisten wachsen wird. Irakische Soldaten wurden dort bisher nicht gesichtet. Bei der Aktion handelt es sich um einen von der irakischen Führung unterstützten Protest der sogenannten „Bidun“ – Menschen, die nach dem Golfkrieg aus Kuwait in den Irak geflüchtet sind oder von den kuwaitischen Behörden ausgewiesen wurden. Die arabische Bezeichnung „Bidun“, „ohne“, deutet auf ihren Status als Staatenlose hin. Sie werden weder als Bürger Kuwaits noch als Iraker anerkannt. Ein Marsch dieser Zivilisten auf kuwaitisches Territorium ist nicht ausgeschlossen.

Clinton warnte Saddam Hussein, nicht „die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen“. Aus US-Militärkreisen verlautete, daß die US-Truppen zwar in der Lage seien, den Irak für etwaige Operationen in Kuwait zu „bestrafen“, ein Einmarsch könne zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedoch nicht aufgehalten werden. Allerdings gebe es zur Zeit auch keinen direkten Hinweis für eine bevorstehende Invasion. Auch in Kuwait schien man gestern nicht daran zu glauben. In Kuwait-Stadt ging das Leben seinen normalen Gang.

Der irakische Vertreter bei der UNO, Nizar Hamdoun, erklärte in New York: „Die irakischen Truppen bewegen sich innerhalb der nationalen irakischen Grenzen und damit besteht kein Anlaß für eine Einmischung von außen.“ Die irakische Zeitung Al-DschJumhuriya betonte, daß es der Irak nicht auf eine militärische Konfrontation anlege. Vielmehr müsse endlich dem Leiden des irakischen Volkes ein Ende gesetzt werden müssen, indem das seit dem Überfall auf Kuwait verhängte Wirtschaftsembargo aufgehoben werde. Augenzeugenberichten zufolge verläuft das Leben in Bagdad normal. Schulen und öffentliche Einrichtungen sind geöffnet.

Arabische Reaktionen deuten darauf hin, daß der Irak bei einem erneuten Einmarsch in Kuwait wenig Zustimmung finden würde. Der Golfkooperationsrat stellte sich hinter sein Mitglied Kuwait. Saudi-Arabien lud US-Truppen ein, saudische Stützpunkte bei einer Operation gegen den Irak zu verwenden. Syrien forderte den Irak auf, seine Truppen zu stoppen. Ägyptens Außenminister Amre Musa verlangt von Saddam Hussein, die Grenze nach Kuwait anzuerkennen. Karim El-Gawhary

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