Wenn die Erststimme des Fans jemand anderem hilft

Den Bundestagswahlausgang entscheidet allein die Zweitstimme. Mit ihr wird nicht der Kanzler, sondern eine Parteien-Liste gewählt. Die Zweitstimme entscheidet über die Zahl der künftigen Sitze einer Partei im Bundestag, vorausgesetzt, sie hat die 5-Prozent-Hürde übersprungen. Einzige Ausnahme: Erobert eine Partei per Erststimme drei Wahlkreise direkt (was diesmal die PDS in Berlin, die Grünen in Hamburg, Berlin und Kassel versuchen), dann ist sie auch mit allen ihren Stimmen unterhalb der 5 Prozent im Bundestag.

Neben der letztlich alles entscheidenden Zweitstimme, deren Wirkung sich im Gesamtprozentergebnis einer Partei auf Bundesebene direkt widerspiegelt, entfaltet die Erststimme komplizierte indirekte Wirkungen in Sachen personeller Zusammensetzung der Bundestagsfraktionen. Welche – das ist im komplizierten Wechselspiel von Listenplätzen, Wahlkreisabsicherung und Direktmandatzurechnung im Einzelfall kaum zu durchschauen.

Beispiel Wahlkreis Altona: CDU und Grüne treten hier mit zwei Kandidaten an, die nicht über die Landesliste abgesichert sind. Klarer Fall: Gewinnen sie nicht, kommen sie nicht nach Bonn. Aber: Welche Grüne und welche CDU-KandidatIn im Falle ihres Sieges nicht reinkommen, hängt von so vielen Faktoren ab, daß selbst die Kandidaten es vorher nicht wissen. Marliese Dobberthien, SPD-Kandidatin in Altona, wird dem nächsten Bundestag dagegen mit fast 100prozentiger Sicherheit angehören. Auf Platz 2 der Landesliste (hinter dem designierten Harburger Wahlkreisgewinner Hans-Ulrich Klose) ist sie auch bei einer Niederlage in Altona abgesichert.

Dobberthien-Fans helfen mit ihrer Erststimme also nicht Marliese Dobberthien, sie retten allenfalls einen anderen Sozi, der dafür wieder einem anderen einen Platz wegnimmt. Alles klar? Noch einmal: Gewinnt Marliese Dobberthien in Altona, so wird ein hinterer Platz der Hamburger SPD-Landesliste sicher – vielleicht gerade der von Wolfgang Curilla, falls dieser in Nord verliert.

Umgekehrt: Verliert die Dobberthien in Altona, dann nehmen die Altonaer Erststimmen Einfluß auf die grüne oder schwarze Bundestagsfraktion. Gewinnt Jo Müller, dann haben die Altonaer WahlbürgerInnen irgendeinem anderen Grünen den Einzug nach Bonn verwehrt, entsprechendes gilt für CDU-Mann van Hooven. Aber: Die Größe von CDU, SPD und Grünen im neuen Bundestag bleibt in jedem Fall gleich. Noch Fragen?

Florian Marten