Das Leck im Panzerschrank

■ Zwielichtige Rolle des Hamburger Staatsschutzes in einer Affäre um Strichjungen, SAT1 und einen GALier Von Kai von Appen

Zu einer Affäre um den Hamburger Staatsschutz entwickelt sich ein Rechtsstreit, der am Freitag vor dem Hamburger Landgericht zu seinem vorläufigen Höhepunkt gelangt: GAL-Fraktions-Referent Peter Mecklenburg wurde im September 1993 in einer „Einspruch“-Sendung des Privatsenders SAT 1 als angeblicher Freier von Stricherjungs am Hamburger Hauptbahnhof denunziert. Der Privatsender behauptet, Informant sei unter anderem ein Mitarbeiter der Polizei gewesen. Ins Visier gerät dabei der Ex-Chef des Hamburger Staatsschutzes, Volker Heinze, in dessen Panzerschrank ein „Dossier“ über Mecklenburg angeblich wohlverwahrt wurde. Innenbehörden-Sprecher Peter Kelch dementiert: „Wir hatten nicht die Finger im Spiel.“

Vorgeschichte - 1. Akt: In einem vertraulichen Gespräch Anfang 1992 setzt Innensenator Werner Hackmann GAL-Fraktionschefin Krista Sager darüber in Kenntnis, daß es Hinweise gebe, daß GAL-Mitarbeiter Peter Mecklenburg sich im homosexuellen Milieu aufhalte. Mecklenburg, entsetzt, verlangt von Hackmann Auskunft über die Anschuldigungen und landet – mysteriöserweise – beim Hamburger Staatsschutz (LKA 3).

2. Akt: In einem Gespräch bestätigt LKA3-Chef Heinze gegenüber Mecklenburg einen derartigen „Vorgang“. Eine Person aus der Ex-DDR – die nicht genannt werden könne – habe eine entsprechende Aussage gemacht. Für das LKA seien die Angaben aber wenig glaubwürdig, so daß kein „Anfangsverdacht“ bestünde. Das „Dossier“ würde in Heinzes Panzerschrank „abgelegt“.

3. Akt: Im September 1993 tobt in Hamburg eine heftige Debatte um die Stricher-Kids am Hauptbahnhof. Der selbsternannte „Kids-Vater“ Helmut Behnel wirft den Jugendarbeitern Versagen vor. Die Jugendbehörde bezichtigt wiederum Behnel, Jugendliche für Hehlerei und Diebstahl zu mißbrauchen. Als politischer Anwalt der Sozialarbeiter schaltet sich Mecklenburg in den Konflikt ein.

4. Akt: Die SAT1-„Einspruch“-Redaktion widmet sich am 14. September 93, fünf Tage vor der Hamburger Bürgerschaftswahl, dem Thema. Peter Mecklenburg wird live und unvorbereitet mit Behnel und dessen 17jährigem Zögling „Pico“ konfrontiert. „Pico“: „Peter Mecklenburg war mein Freier.“ Meyer dazu: „Wir haben das gegengecheckt. Das hat sich bestätigt.“

5. Akt: Mecklenburg, durch den Vorwurf geschockt, attackiert Meyer nach der Sendung: „Das habt ihr doch vom Hamburger Staatsschutz.“ Die „Einspruch“-Crew überrascht: „Was haben Sie eigentlich, da war doch schon mal was vor zwei Jahren.“

6. Akt: Gegenüber der taz verteidigt „Einspruch“-Chef Alexander Schuller das Vorgehen: „Wir haben eine seriöse Quelle in Hamburg. Da war schon was vor zwei Jahren.“ Tags darauf dementiert Schuller diese Aussage. Einspruch-Mitarbeiter fahnden daraufhin mit einem Mecklenburg-Steckbrief in St. Georg im Stricher-Milieu, um einen weiteren Kronzeugen zu finden. Vergebens. Zeitgleich wird Hackmann von Krista Sager mit dem Vorwurf konfrontiert, das LKA 3 sei womöglich die „Einspruch“-Quelle. Hackmann dementiert nach Rückfrage bei Kripo-Chef Wolfgang Sielaff, daß der Staatsschutz in die Kampagne verwickelt sei: „Herr Sielaff hat mir ausdrücklich versichert, daß an der ganzen Sache nichts dran ist.“

7. Akt: Mecklenburg erstattet gegen Moderator Meyer Strafantrag wegen Verleumdung und erhebt gegen SAT 1 Zivilklage auf 200.000 Mark Schmerzensgeld. Darüber wird am Freitag in Hamburg verhandelt. „Pico“ widerruft seine Aussage. „SAT 1“-Anwältin Gisela Wild unterstreicht die Seriösität der Quelle. Die Recherchen seien deshalb so schnell möglich gewesen, weil „staatliche Stellen wie die Jugendbehörde, die Polizei, die Innenbehörde“ die Sendung live verfolgt hätten und telefonisch erreichbar gewesen seien. Innenbehörden-Sprecher Peter Kelch hingegen: „Die Polizei hat der Sendung „Einspruch“ keinerlei Informationen über Herrn Mecklenburg zur Verfügung gestellt.“ Jugendbehördensprecher Andreas Kuschnereit: „Ich stand nicht in Kontakt zu „SAT 1“ während der Sendung.“

8. Akt: Wenn es denn eine Quelle gibt, muß sie vor dem Landgericht offenlegt werden. Das Image von SAT1-Meyer hat bereits beträchtlich gelitten. Fast so sehr wie die Psyche von Peter Mecklenburg.