Deutsche Kultfigur

■ Studi-Ausstellung in der Uni-Bibliothek: Bismarck und der deutsche National-Mythos

„Dies ist eine Ausstellung über eine der zentralen Kultfiguren des deutschen Nationalismus“, sagt Projektleiter Lothar Machtan zur Eröffnung der Ausstellung „Bismarck und der deutsche National-Mythos“, die bis zum 4. November in der Uni-Bibliothek zu sehen sein wird.

Ein Jahr werkelten eine Handvoll Bremer StudentInnen, um das low-budget-Projekt auf die Beine zu stellen, unterstützt vom seit drei Jahren bestehenden akademischen Ausstellungsprofi Kultur Akzent. Herausgekommen ist ein schöner kleiner, stellenweise sogar subversiv witziger – wer kommt schon auf die Idee, ein Video mit badendem Bismarck zu zeigen – Überblick zur Entstehung der „National-Ikone“ Otto von Bismarck: Von den ersten Anfängen der Selbststilisierung als „eiserner“ Reichseiner in den 90er Jahren, deren Erfolge auch in Bremen an Ehrenbürgerschaft, Grußadressen und Straßenbenennung abzulesen sind, über die mythologisierende Flut von Kitsch und Devotionalien, die den eisernen Otto unter Nutzung moderner Medien wie Bildpostkarte und Film (1914) endgültig zum metaphysischen Gottvater des „deutschen“ Wesens verklärten, bis zur erfolgreichen Instrumentalisierung des so hergerichteten Fabelwesens Bismarck im Führerkult der Nationalsozialisten. Dabei lassen sich die AusstellungsmacherInnen von der Einsicht leiten, daß der urwüchsig-markige Kult nicht bloß staatliches Repräsentiergehabe war, sondern immer auch Spiegel des Selbstverständnisses konservativer BürgerInnen von Wilhelm bis Adolf.

Erklärtes Ziel der Projektgruppe ist es, Klarheit über eine Tradition zu schaffen, deren Auswüchse aus heutiger Perspektive nur noch als grotesk erfahren werden können und doch einmal Teil offizieller Kunst waren. Dazu soll auch der von ihnen erstellte und für fünf Mark in der Bremer Edition Temmen erhältliche Begleitband dienen. Denn ohne rationale Aufarbeitung können unverstandene und verdrängte Verhaltensweisen ihre „verhängnisvolle“ Macht bewahren, wie nicht zuletzt eine Ausgabe der „Welt am Sonntag“ vom letzten Jahr zeigt, in der Kohl und Bismarck als Gründer jeweils ihres „deutschen Nationalstaats“ nebeneinandergestellt sind.

Kritik am Ausstellungskonzept gib es auch und zwar vom AStA der Uni. Der befürchtet, die grundlegende Unterscheidung des Politikers Bismarck vom Mythos könnte zur Reinwäsche und Rehabilitierung des „großen Staatsmannes“ mißbraucht werden, indem ganz einseitig nur der Mythologisierung die fatale Wirkung Bismarcks auf die deutsche Politik in die Schuhe geschoben würde. Ein wenig davon klingt auch in der sonst klar antinationalistischen Rede des Schirmherrs Klaus Wedemeier an, wenn er zumindest mißverständlich fordert: „Niemand sollte Bismarck für das verantwortlich machen, was im 20. Jahrhundert mit seinem Deutschen Reich geschah.“

Gegen die AStA-Bedenken verteidigt Projektleiter Machtan, der ausdrücklich den „Sozialisten- und Demokratenfeind“ Bismarck hervorhebt, die Unterscheidung des Politikers vom Mythos, denn schließlich könnten reale Taten und verklärende Fiktion nicht einfach zusammengeworfen werden. Und gerade dort, wo „nationalistische Instinkte“ sich wieder zurückmeldeten, sei das Wissen um Entstehung und Funktionsweise nationaler Mythen unverzichtbar . hm