■ Haitis Armeechef Raoul Cédras tritt zurück
: Die Rechnung geht auf

Ob mehr dem Glück oder dem Geschick geschuldet, sei dahingestellt. Fest steht: Die „Operation Uphold Democracy“ ist bislang erstaunlich gut gelaufen. Da hatte sich Clinton im Sommer in eine Lage hineinmanövriert, die ihm keinen Ausweg mehr ließ, als in Haiti militärisch zu intervenieren, um die Putschgeneräle mit Gewalt zu vertreiben. Buchstäblich im letzten Moment handelte Carter ein Abkommen aus, das aus der Invasion eine friedliche Landung machte. Der Preis dafür schien hoch: Generalamnestie und enge Zusammenarbeit der Interventionstruppe mit der haitianischen Soldateska, die von just jenem Raoul Cédras befehligt wird, den zu vertreiben der UN-Sicherheitsrat eine „multinationale Truppe“, faktisch die US-Armee, ermächtigt hatte.

Das Resultat kann sich sehen lassen: Die Besetzung Haitis hat in drei Wochen weniger Todesopfer gefordert als die normale Repression in einem gleichen Zeitabschnitt zuvor. Die Entwaffnung der Attachés, der Killertrupps des Regimes, schreitet voran. Das haitianische Parlament hat die von Carter ausgehandelte Generalamnestie auf eine politische für die Putschisten reduziert. Haitis De-facto-Präsident Emile Jonassaint, der das Abkommen mit Carter unterzeichnete, ist faktisch ausgeschaltet. Und nun ist auch derjenige zurückgetreten, der ihn in sein Amt gehievt hat und der selbst vor drei Jahren von Präsident Aristide zum Armeechef ernannt wurde: Raoul Cédras. Die Rechnung ist also aufgegangen.

Ihr erster Teil jedenfalls. Die Machtverhältnisse sind geklärt. Aristide kann zurückkommen. Dann aber beginnt wohl die schwierigere Etappe. Die verarmten Massen, für die der Priester-Präsident nahezu ein Messias ist, werden sich zurückmelden. Wo Mörder nicht bestraft werden, droht Lynchjustiz. Wo, aus dem Blickwinkel des Elends betrachtet, nicht wenigstens Armut am Horizont sich abzeichnet, macht sich schnell Resignation breit. Aristide wird Hoffnungen enttäuschen und aus politischen wie wirtschaftlichen Gründen Kompromisse mit jener Oberschicht schließen müssen, die das mörderische Regime alimentiert hat und die ihn selbst bis heute abgrundtief haßt.

Die Konflikte sind also programmiert, und in Haiti wurden sie noch nie auf demokratischem Weg ausgetragen. Die US-Truppen, so hatte die Linke des Landes schon vor der Invasion gewarnt, hätten letztlich nur die Aufgabe, „Lavalas“, die in Bewegung geratene Masse von Aristide-Anhängern, die revolutionäre Entwicklung aufzuhalten. Gewiß eine Übertreibung, die dem alten linken Denken geschuldet ist. Aber zweifellos werden die US-Truppen in der kommenden Etappe Gelegenheiten genug bekommen, ihr Image der Befreier aufs Spiel zu setzen. Thomas Schmid