Kleiner Wink mit der Mütze

■ Auf Wahlplakaten wird der Dialog mit den Bürgern sorgsam inszeniert: Was will uns z.B. eine Kapitänskappe in der Kandidatenhand bedeuten?

Spätestens zur Wahlzeit lernt der Wähler die Politiker kennen, insbesondere die seiner näheren Heimat. Aber wie: Mit leuchtenden Augen, frisch gestärkten Ohren und gleißenden Gebissen – kurz: in bestem Licht treten die Kandidaten dem Volk entgegen. Solche Prächtigkeit kommt nicht von ungefähr. Was auf den ersten Blick wie ein aufgeblasenes Paßbild aussieht, ist zumeist das Ergebnis langwieriger Planungen und verzweifelter Fototermine. Noch hinter den schlichtesten Porträts lauert eine ausgeteufelte Imagekampagne. Die machte diesmal auch vor den aussichtslosesten Wahlkreiskandidaten nicht halt: Besonders die SPD setzte auf ein einheitliches Styling ihrer Gesichter. Während die meisten anderen Parteien bei den bewährten Brustbildern blieben, ließ die SPD „Dialogbilder“ inszenieren, in denen nun Konrad Kunick und seine Kollegen in möglichst „authentischen Situationen“ angeordnet sind.

Herr Neumann guckt etwas zerknittert. Unter dicken Tränensäcken funkelt ein Paar müder Äuglein das Wahlvolk an. Seisdrum: Das frontale Porträt ist im Sinne der Parteilinie. So stellt es jedenfalls Helmut Pflugradt dar, Geschäftsführer der CDU-Fraktion in der Bremer Bürgerschaft. Alle Kandidatenfotos folgten „der Bonner Werbelinie“, die Pflugradt selbst freilich nicht so genau zu benennen vermag. Eine Werbeagentur brauchten die Christdemokraten dazu nicht. „Freie Fotografen aus Bremen“ hätten die Kandidaten an Ort und Stelle abgeknipst. Sowas käme bei der Konkurrenz nicht in die Tüte.

Denn bei der SPD bestimmt nicht die Parteizentrale das Bild, sondern eine Werbeagentur names „Agentur Butter“, mit Sitz in Düsseldorf. Die machte mit ihrem Konzept unter einigen Konkurrenten das Rennen: „Authentisch, natürlich, volksnah im besten Sinne“ sollten die lokalen Kandidaten wirken, sagt Art Directorin Andrea Wark. Und dafür erfand man das „Dialogfoto“. Das sieht dann so aus: Der Politiker im Gespräch mit dem Bürger resp. potentiellen Wähler auf der Straße.

Da das aber nicht der Normalzustand der Politiker ist, muß das Authentische sorgsam inszeniert werden. Im Frühjahr lud die Agentur die meisten der Kandidaten nach Bonn, um dort den Dialog zu arrangieren. In einem zum Studio umgerüsteten Gebäude fanden Kunick & Consorten alles, was ihrem Image dienlich sein könnte: Hemden, Krawatten, Anzüge ganz nach Wunsch und Kragenweite – „nur kein Pepita“, so die Vorschrift der Agentur; „Pepita verschwimmt“. Dazu die passenden Requisiten. Kunick z.B., der Kandidat für den Bremer Westen, der „wollte mit dem Thema ,Hafenstadt Bremen' zusammengebracht werden“, wie die heimische SPD-Pressestelle weiß. Zeit und Geld, größere Containerszenarien in Bonn nachzubilden, hatte die Agentur allerdings nicht; nun prangt Kunick immerhin mit einer Prinz-Heinrich-Mütze im Anschlag auf seinen Plakaten.

Auch die passenden Statisten hielt die Agentur vorrätig. Frauen für die weiblichen Kandidaten, behelmte Männer für die Kandidaten der Arbeitervororte. So kommen Situationsbilder zusammen, die uns sagen wollen: „Das sind keine Menschen, die sich hinter ihrem Schreibtisch verstecken wollen“ – diese Aussage jedenfalls legt die Art Directorin in ihre Kampagne. Fast alle Kandidaten seien mit dieser Linie einverstanden gewesen, bis auf „ein paar Ausreißer“. Einer davon klebt in Bremen: Ex-Finanzsenator Volker Kröning.

Was die Agentur als „lebensnah“ verkauft, hält Kröning nämlich für „widersprüchlich“. Denn wenn die Kandidaten in den Dialog vertieft sind – warum gucken sie dann hartnäckig aus dem Bild heraus, auf den prospektiven Betrachter? Und umgekehrt: Wenn die Kandidaten die Statisten angrinsen – wer sieht dann dem Betrachter aufmunternd ins Auge? Kröning verzichtete auf die Statisterie und Kostümierung und ließ sich – „weniger ist mehr“ – so ablichten, wie es die Werbeagentur eben nicht haben wollte: frontal, freundlich grinsend und vor allem einzeln, das ganze Plakat allein mit seiner Person ausfüllend. „Ich halte viel vom Gespräch mit dem Bürger“, sagt Kröning, „aber mehr von der Praktizierung als von der Simulierung.“

Am liebsten aber hätte er ganz auf die Gesichtsschau verzichtet. Denn Wahlplakate empfindet der SPD-Mann vor allem „als eine aufdringliche und gegen das Stadtbild verstoßende Angelegenheit“. Aber für eine parteiübergreifende Initiative, diesmal die Stadt zu verschonen, fand sich schon in seiner eigenen Partei keine Mehrheit. tom