■ Die Lohntarifrunde in der Metallindustrie beginnt
: Nicht mehr das gleiche Spiel

Beide Seiten haben Stellung bezogen, aber es ist nicht mehr das gleiche Spiel wie früher. Die IG Metall will in der kommenden Tarifrunde für Westdeutschland „bis zu sechs Prozent“ mehr Lohn und Gehalt fordern, aber weiß dabei sehr wohl, daß beispielsweise in der Automobilindustrie weiterhin ein erdrutschartiger Stellenabbau droht. Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall wiederum hat seine Vorschläge medienwirksam schon einen Tag vor den Gewerkschaftsforderungen auf den Tisch gelegt – und will dabei die schon vereinbarte Arbeitszeitverkürzung zur 35-Stunden-Woche zur Disposition stellen.

Um die Mahnung zur „Lohnbescheidenheit“ zu untermauern, geht Gesamtmetall mit Zahlen locker um: Als es angebracht schien, die Flexibilisierungsinstrumente des geltenden Tarifvertrages zu loben, sprach der Verband unlängst von einem Rückgang des Stellenabbaus auf „nur“ 9.000 verlorene Jobs im Juni. Im Juli dagegen, als die kommende Tarifrunde nahte, behauptete Gesamtmetall, daß noch immer pro Monat 20.000 Arbeitsplätze in der westdeutschen Metallindustrie verlorengingen.

Beide Seiten haben also Stellung bezogen – trotzdem aber läßt sich an der erneut sehr offensiven Haltung der Arbeitgeber eine Verschiebung der Machtpositionen erahnen. Zuungunsten der IG Metall. Denn das Druckmittel der Gewerkschaft ist der Streik. Es ist wirksam in Zeiten hoher Beschäftigung, aber weniger jetzt, wo nach wie vor der Abbau von Zehntausenden Stellen droht. Die Tarifpartnerschaft vergangener Zeiten gründete auf dem Zustand hoher Beschäftigung, in der sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer aufeinander angewiesen waren. Das ist jetzt anders, wo Betriebsräte in vielen Unternehmen zähneknirschend Verschlechterungen für die Belegschaft zustimmen müssen, nur um Jobs zu retten. Wo in vielen Betrieben die Möglichkeiten der Tarifverträge bis aufs äußerste ausgereizt werden, um zu verhindern, daß Arbeitsplätze ins Ausland verlegt werden. Die IG Metall hat daher auch jetzt, anläßlich des zarten Aufschwungs, nicht mehr die gleiche Verhandlungsposition wie noch vor einigen Jahren. Nur schwerlich ist sie noch ein gleichberechtigter Verhandlungspartner. Vielmehr muß sie geschicktes Krisenmanagement betreiben, um zumindest den Auflösungsprozeß tariflicher Sicherheiten zu verlangsamen. Barbara Dribbusch