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■ Friedensnobelpreis für Arafat und Rabin?Von der Kunst, Kriege zu beenden

Kriege sind ebenso leicht zu beginnen wie schwer zu beenden. Diese triviale Wahrheit veranlaßte das Osloer Nobelpreis-Komitee schon mehrfach, politische Friedensstifter im Tandem auszuzeichnen. Auch wenn man sich zur Not damit anfreundet, daß 1993 nicht nur Nelson Mandela, sondern auch Frederik de Klerk den Preis erhielt – eine glückliche Hand hat das Auswahlgremium bislang bei seinen Entscheidungen nicht bewiesen. Anwar el-Sadat und Menachem Begin waren, als ihnen 1978 der Preis verliehen wurde, weit davon entfernt, eine Lösung des Nahostkonflikts anzubahnen. Ähnliches läßt sich für den Vietnamkonflikt von dem Paar Lê-Duc Tho/Dr. Kissinger sagen, das 1973 ausgezeichnet wurde. Lê-Duc Tho wies den Preis mit der Bemerkung zurück, von einem wirklichen Frieden könne keine Rede sein. Als Kommunist aus der Schule Ho Chi Minhs machte er sich sowieso nichts aus Urkunden oder Preisgeldern. Aber recht hatte er trotzdem.

Diesen wenig ermutigenden Erfahrungen zum Trotz soll jetzt schon wieder ein Pärchen ausgezeichnet werden: Jassir Arafat und Jitzhak Rabin, die beiden Unterzeichner des Gaza-Jericho-Abkommens. Wir verdanken diese frühzeitige Kenntnis einer Indiskretion. Einer der Juroren hat seinen Rücktritt für den Fall angekündigt, daß der „Terrorist“ Arafat tatsächlich Nobelpreisträger werde. Das Argument ist ziemlich albern. Es genügt, sich das Prädikat in Erinnerung zu rufen, das die britische Mandatsbehörde Palästinas dem späteren Nobel-Laureaten Begin verlieh: „Terrorist Nr. 1“. Aber reicht diese Zurückweisung, um den Entscheid der Auswahlkommission zu rechtfertigen? Käme es nicht viel mehr darauf an, multinationale Friedensbemühungen zu ermutigen, gesellschaftliche Initiativen auszuzeichnen beziehungsweise den Preis unter Berufung auf eine Vorstellung vom Frieden zu verleihen, die den Zusammenhang von Frieden und Menschenrechten reflektiert? Muß uns denn immer noch in symbolischer Form suggeriert werden, daß es, wie der Chauvinist Treitschke meinte, die großen Männer sind, „die Geschichte machen“?

All dies können wir zugestehen und dennoch finden, daß die Wahl des Osloer Komitees glücklich war. Dabei wäre nicht einmal so sehr der persönliche Mut der beiden in Anschlag zu bringen. Wichtiger scheint, daß innerhalb der „Oslo-Connection“ sich eine Kombination von Kräften bewährte, die auf künftige Friedensverhandlungen ausstrahlen könnte: ein engagierter Vermittler ohne politische Hinterabsichten. Die informelle Arbeit von Friedensaktivisten und Friedensinstituten. Eine komplexe Verhandlungsstrategie, die Fragen der wirtschaftlichen und sozialen Erfordernisse nach einem Abkommen einschließt. Takt, sehr viel Geduld und – immer noch – absolute Vertraulichkeit. Arafat und Rabin werden den Preis erhalten, aber es sind eigentlich die Tugenden dieses norwegisch-palästinensisch-israelischen Kollektivs, die ausgezeichnet werden. Christian Semler

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