Der Rubel rollt ins Nichts Dollar regiert Rußland

■ Innerhalb eines Tages verliert die russische Währung fast ein Drittel ihres Werts / Geldentwertung drückt den Lebensstandard

Moskau (dpa/taz) – Der Kurs des Rubels zum US-Dollar ist gestern mit 3.926 Rubel erneut auf ein historisches Tief gefallen. Das ist der höchste Verlust, den die russische Währung seit Beginn des Handels Mitte 1992 erlitt. Nach Angaben der Moskauer Interbanken-Devisenbörse verlor der Rubel nach dem Rekordtief am Montag noch einmal gut 27 Prozent seines Wertes. Gegenüber der D-Mark war der Verlust sogar noch größer: Der Rubel stürzte um fast 30 Prozent auf 2.615 Rubel für eine Mark.

Erst werden die ausländischen Produkte teurer, kurz danach auch die einheimischen. Der Kursverfall der Landeswährung wird den Lebensstandard der Russen weiter senken. Die Russen sind gezwungen, ihren Lohn sofort in Dollar umzutauschen, was den Dollarkurs nur noch weiter erhöht.

Angesichts des drastischen Kurseinbruchs erwägt die Zentralbank, die Notbremse zu ziehen: Deutlich höhere Zinsen sollen die Devisenhändler überzeugen, daß die Inflationsrate sich nicht rasant beschleunigen wird. Dies wär eine Umkehr der bisherigen Politik. Denn seit Anfang des Jahres hatte die Zentralbank den Zinssatz von 210 auf jetzt 130 Prozent heruntergeschraubt, um dadurch eine höhere Kreditvergabe an die marode Industrie und Landwirtschaft zu ermöglichen.

Der stellvertretende Finanzminister Jakow Urinson kritisierte die bisherige Politik: „Es wurde viel zuviel Geld ausgegeben.“ Ein westlicher Wirtschaftsfachmann warnt: „Wenn das Geldangebot so hoch bleibt, wird nichts den Rubel vor einem weiteren Fall ins Bodenlose stoppen.“ Der reformorientierte Privatisierungsminister Anatoli Tschubais machte auch die Regierung für den Rubelverfall verantwortlich: „Das ist der Preis für unsere Fehler.“

Diese Einschätzung belegen die neusten Zahlen zum Haushaltsdefizit, die das staatliche Statistikamt gestern veröffentlichte. Das Loch im Staatssäckel entspricht demnach für die ersten acht Monate des Jahres 10,5 Prozent des gesamten Bruttoinlandsproduktes. Gut vier Fünftel davon deckte die Zentralbank durch Kredite an den Staat. 1993 habe das Budgetdefizit nur 4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausgemacht.

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