Aye, Aye, Aye, Aye!

■ Eleganz und Leidenschaft: Brasiliens neuer Superstar Marisa Monte spielte im Bremer „Modernes“ vor erstaunlich heimatlichem Publikum

Fast schien es so, als hätte sich Marisa Monte außer ihrer Band auch das Publikum aus Brasilien mitgebracht. Im Modernes traf sich am Dienstag abend eine sympathische und erstaunlich große lateinamerikanische Gemeinde, um den neuen Star der heimatlichen Popmusik zu feiern. Einige Angeheiratete, Freunde und Absolventen von Capoeira- oder Samba-Workshops gaben dem Abend noch ein leicht norddeutsches Flair, aber die Sängerin konnte sich sicher sein, daß die meisten Zuhörer ihre Texte verstanden. So war die Stimmung angenehm kultiviert, fast familiär – auch wenn die Sambafanatiker kaum auf ihre Kosten kamen: Zu ruhig ist die Musik, zu kompliziert die Rhythmen, als daß man ausgelassen danach tanzen könnte.

Die Sängerin wirkt auf der Bühne immer etwas kühl und distanziert – sie gehört nicht zu den Performerinnen, die mit charismatischer Bühnenpräsenz das Publikum für sich gewinnen. Dafür singt sie fast zwei Stunden lang sehr konzentriert und intensiv mit einer Stimme, die zugleich elegant und leidenschaftlich klang. Die Raffinesse und der Charme der populären Musik Brasiliens sind in ihren Songs zu spüren.

Auch in Brasilien recht ungewöhnlich ist allerdings, daß unter den sieben Musikern ihrer Band weder einen Keyboarder noch einen Saxophonisten, und das ist. Stattdessen spielen neben drei Percussionisten zwei Gitarristen fast aussschließlich auf akustischen Instrumenten und neben dem Bassisten stand ein begnadeter Akkordeonspieler auf der Bühne. Die Band spielt meist eher sparsam und mit Understatement – oft begleiten nur einzelne Musiker die Sängerin.

So gab es im „Modernes“ Trios mit Gitarre und Congas, Introduktionen auf Akkordeon und Berimbao und immer wieder kleine Einsprengsel auf der Mandoline – ein organischer, warmer Klang.

Neben ihren Eigenkompositionen, in denen die bekannten brasilianischen Rhythmen und Stile neu und originell vermischt werden, bringt die Sängerin auch eine verwegene Reihe von Coverversionen: einen Song von Velvet Underground (der in ihrem Geburtsjahr komponiert wurde); die italiensche Schnulze „Amore, Amore, Amore“ aus den 60er Jahren und einen noch ältern Schlager mit viel „Aye, Aye, Aye, Aye“, der inzwischen längst so zum lateinamerikanischen Klischee gehört wie Zuckerhut und Tanga. Marisa Monte schien den Ehrgeiz zu haben, diese Kuriositäten zu entstauben, übernahm sich dabei allerdings ein wenig. Denn bei diesen Songs verlor das Konzert viel von seiner Spannung.

Dennoch hätte der Auftritt ein rundherum gelungenes Vergnügen sein können, wenn auch nur halbwegs kompetente Techniker an den Mischpulten gesessen hätten. Alle paar Minuten verpfiff wieder eine Rückkopplung die Stimmung und die Abmischung war so flach und breiig, daß man oft kaum eine Ahnung davon bekam, was da oben auf der Bühne wirklich gespielt wurde. Willy Taub/

Foto: Nikolai Wolff