"Wir werden Euch genau beobachten"

■ Warum die autonome Göttinger Lesbengruppe "Wilde Spule II" die Vorführung von Wenzel Storchs "Sommer der Liebe" verhindert und seinerzeit eine Kopie von "Lucia" verbrannt hat. Mit einer der "Wilden ...

Vor einiger Zeit plante das Göttinger kommunale Kino „Lumière“ die Vorführung von Wenzel Storchs „Sommer der Liebe“ mit anschließender Diskussion. Kurz vorher wurde der I. Akt des Films von der Gruppe „Wilde Spule II“ aus dem Kino geklaut, mit der Begründung, er sei rassistisch, sexistisch, faschistisch usw. Storchs Film ist eine Art floweriges Seventies-Revival mit Einlagen von „Sesamstraße“, „Schulmädchenreport“, Trash, Tierfilm, gewissermaßen als Blumen des Blöden um den Hals des Regisseurs gelegt.

Das Kino setzte daraufhin den Film ab, und zwar, wie uns eine Mitarbeiterin sagte, „weil wir sonst ein Anzeige aufgeben müßten und die Bullen im Haus hätten“. In einem Flugblatt hatte es geheißen: „Wenn sich keine grundlegende Veränderung Eures Bewußtseins in Eurer Filmauswahl widerspiegelt, sehen wir uns gezwungen, auch weiterhin Filmrollen zu entwenden. ,Sommer der Liebe‘ ist in einem Schließfach am Hauptbahnhof. Wir beobachten euch weiter.“

Im selben Haus wie das „Lumière“ befindet sich auch „Kabale“, die Stammkneipe & Powerbase der Wilden SpulenII, die als Wilde SpuleI schon einmal dasselbe Kino in Haßkappen gestürmt hatten, als der kubanische Film „Lucia“ lief, der in den ersten zwanzig Minuten eine Vergewaltigung zeigt. Akt I wurde aus dem Projektor gerissen und verbrannt. „Sommer der Liebe“ wird jetzt in den Göttinger Flebbe-Kinos und im Berliner „Eiszeit“ laufen. Unsere Gesprächspartnerin wollte ihren Namen nicht nennen.

taz: Was genau hat Euch so an Wenzel Storchs „Sommer der Liebe“ gestört?

Wilde Spule: Man sieht darin zum Beispiel, wie eine Hetzjagd auf eine Frau verübt wird, die durch den Wald läuft und später zu Würstchen verarbeitet wird. Außerdem ist da ein Weißer, der schwarz angemalt ist und als „Neger“ angesprochen wird. Der Film an sich ist einfach nur total blöd, und wir finden eben, daß solche Filme nicht laufen müssen, und schon gar nicht in so einem Kino.

Gehört das „Lumière“ nicht so ein bißchen zu Eurer neighbourhood, schadet Ihr da nicht der eigenen Seite?

Deshalb sind die Spulen ja auch zurückgegeben und nicht vernichtet worden. Aber das Argument, man wollte doch bloß diskutieren, zieht eben nicht: Zum Diskutieren von Gewalt gegen Frauen war die Spule nicht nötig. Gerade in einem Kino mit Anspruch und mittellinkem Publikum darf es so etwas einfach nicht geben.

Ist das auch der Grund dafür, daß Ihr Euch eben nicht auf Filme wie „Basic Instinct“ gestürzt habt? Oder sind die einfach technisch schwerer zu attackieren?

Ja, es ist dieser Anspruch, den man dann auch durchhalten muß.

Ihr traut den Mittellinken nicht zu, daß sie sich im Griff haben? Hast Du denn schon mal erlebt, daß Filme eine dermaßen starke Wirkung ausüben?

Persönlich habe ich keine Erfahrung damit, aber da gibt es Untersuchungen drüber. Es ist zu gefährlich, diese Sachen einfach so zu zeigen. Man steigert einfach die Gewaltbereitschaft. Du kennst das doch bestimmt auch, wenn Du im Kino sitzt mit lauter Typen um Dich rum, und die grölen und lachen, wenn eine Frau vergewaltigt oder geschlagen wird.

Gibt es denn eine für Euch legitime Form von Gewaltdarstellung? Wie soll man eine Vergewaltigung filmen?

Man kann und darf eine Vergewaltigung eben nicht filmen. Erstens glaube ich, daß es nicht geht, zweitens, daß man es nicht darf, weil es einfach keinen Schutz gegen diese voyeuristische Publikumshaltung gibt.

Können Frauen im Kino nackt sein?

Andere sehen das nicht so; aber so eng würde ich die Grenzen wohl nicht ziehen.

Welche Filme zeigen Frauen auf eine Art, die Ihr OK findet?

Wir finden zum Beispiel „Komplizinnen“ gut, ein Film aus der autonomen Szene über Szenefrauen, die sich eben auch gegen Gewalt wehren, die so zwischen zwanzig und dreißig sind, die arbeiten, studieren und leben. Ein anderer Film, den wir mochten, war „Das Leben ist eine Frau“ aus Kasachstan, über eine Frau, die in den Knast kommt, weil sie ihren Mann erschlagen hat, der brutal zu ihr war. Man sieht, wie sie sich da behauptet, die Solidarität mit den anderen Häftlingen, ihre Jahre in der Strafkolonie. Oder „Phoolan Devi“, der Film über die indische Banditin, den Ihr ja nicht so gut besprochen habt.

Und mögt Ihr Monika Treut, Ulrike Ottinger und so weiter?

Also bei der Treut gehe ich regelmäßig raus. Sie zeigt den lesbischen Sub immer total einseitig, zum Beispiel in „Die Jungfrauenmaschine“...

Zuviel S/M?

Ja, genau, da wird es eben auch wieder voyeuristisch.

Was war jetzt der Effekt von Eurer Aktion, seid Ihr zufrieden?

Ja, der Film wird nicht mehr gezeigt. Es sind ein paar total blöde Artikel über uns erschienen, zum Beispiel in der Titanic, aber die Sache wurde eben wieder diskutiert.

Und Ihr habt den Film beworben...

Das kann man nicht ändern, das ist immer so, wenn man etwas macht, auch wenn man Benetton- Plakate überklebt.

Wie geht es weiter? Was sind die nächsten Aktionen?

Das werde ich Dir jetzt natürlich nicht sagen. Du kannst aber sicher sein, daß wir die Sache im Auge behalten werden.