CDU wirbt auf die krumme Tour

■ Mit Werbekampagnen betreibt die Regierung Wahlkampf auf Kosten der Steuerzahler

Berlin (taz) – Pünktlich zu den Bundestagswahlen macht die Kohl-Regierung noch einmal Werbung für sich selbst und läßt sich das aus Steuergeldern bezahlen. Mit Werbespots aus dem Hause des Bundesverkehrsministeriums, die derzeit termingerecht in Hörfunk und Fernsehen der neuen Bundesländer ausgestrahlt werden, tanzt die Regierung jedoch auf der Grenze zum Verfassungsbruch. Denn schon 1977 stellte das Bundesverfassungsgericht klar, daß im Wahlkampf jede Form der Öffentlichkeitsarbeit in Form von Erfolgsberichten verboten ist. Von ebensolchen Erfolgen kündet jedoch die geschaltete Werbekampagne. In ihr lobt die Bundesregierung sich, 40 Milliarden Mark in den Ausbau der ostdeutschen Verkehrsinfrastruktur investiert zu haben. Angeblich, so der O-Ton des Spots, war dieses segensreiche Wirken „eine wichtige Voraussetzung für den wirtschaftlichen Aufschwung. Damit wurden eine halbe Million Arbeitsplätze erhalten oder neu geschaffen.“

Die Eigenwerbung aus Steuergeldern – die Kosten pro ausgestrahlten 30-Sekunden-Spot betragen etwa 5.000 Mark – sei „rein zufällig“ Anfang Oktober in die Nähe des Wahltermins gerückt, behauptet das Bundesverkehrsministerium auf Anfrage. Zum Beweis dafür wird angeführt, der Minister habe ja schon zuvor für die (umstrittenen) Verkehrsprojekte geworben. Das ist wahr. Zuletzt schaltete das Ministerium eine solche Werbekampagne Anfang Juni, kurz vor der Europawahl.

Der Ostdeutsche Rundfunk (ORB) wertete die Spots denn auch als Werbung mit eindeutig politischem Inhalt und lehnte ihre Ausstrahlung ab. Die Kampagne sei „ein ganz klarer Verstoß“ gegen den Rundfunkstaatsvertrag, der politische Werbung verbietet.

Schon 1977 hat das Bundesverfassungsgericht in einem Grundsatzurteil Kriterien zur Unterscheidung zwischen erlaubter Öffentlichkeitsarbeit und unerlaubter parteiergreifender Wahlwerbung von Staatsorganen definiert. Damals hatte die CDU gegen die Selbstdarstellungskampagne einer SPD-Bundesregierung aus Steuermitteln geklagt. „Die Öffentlichkeitsarbeit der Regierung“, entschieden die Karlsruher Richter, „findet dort ihre Grenze, wo die Wahlwerbung beginnt.“ Anzeichen für eine Grenzüberschreitung zur unzulässigen Wahlwerbung könnten der Inhalt, die Aufmachung sowie der Zeitpunkt der Anzeigen sein. „Als Anzeichen für eine Grenzüberschreitung zur unzulässigen Wahlwerbung kommt weiterhin ein Anwachsen der Öffentlichkeitsarbeit im Wahlkampf in Betracht“, vor allem wenn die Öffentlichkeitsarbeit „ohne akuten Anlaß“ sei. Für die Vorwahlzeit, gaben die Verfassungsrichter den Politikern auf, gelten „das Gebot äußerster Zurückhaltung und das Verbot jeglicher mit Haushaltsmitteln betriebener Öffentlichkeitsarbeit in Form von sogenannten Erfolgsberichten“. Im Kampf um den eigenen Machterhalt nutzt derzeit nicht nur die Bonner Regierung die heimlichen Wahlhelfer aus Steuermitteln. In Mecklenburg-Vorpommern, wo am Wochenende auch das künftige Landesparlament gewählt wird, stellt die CDU-Landesregierung in ganzseitigen Zeitungsanzeigen in blühenden Farben ihre Verdienste dar. Verantwortlich für den Inhalt und die Begleichung der Kosten ist die Staatskanzlei in Schwerin, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Was als „Information der Landesregierung“ firmiert, ist CDU-Eigenwerbung pur: In fünf Artikeln wird Ministerpräsident Seite hervorgehoben. Die Bündnisgrünen haben deshalb jetzt eine Organklage beim Bundesverfassungsgericht angestrengt. Durch ihre Anzeigenserie habe die Landesregierung „in parteiergreifender Weise werbend in den Wahlkampf eingegriffen“. Vera Gaserow

Kommentar Seite 10