Geplatzte Träume

■ Explosionsartige Zunahme von Anlagebetrügereien / 150 Millionen Mark geschätzter Gesamtschaden in Berlin

Die Versuchung kommt per Telefon: Anlegern wird eine besonders windige Anlageform „Warentermingeschäft“ angeboten. Dabei handelt es sich um Börsen-Geschäfte mit Rohstoffen wie Getreide, Öl, Kaffee oder Kupfer. Diese werden über Warenterminbörsen abgewickelt. Spekuliert wird auf eine Differenz zum späteren Handelswert der Ware.

Doch statt versprochener Traumrenditen droht bei dem überwiegenden Teil dieser Geschäfte ein Totalverlust, da sich gerade in diesem Bereich eine Vielzahl unseriöser Anbieter tummelt. Unzulässige telefonische Kontaktaufnahmen, Geschäftssitze in Panama, Liechtenstein oder auf den Bahamas sollten beim Verbraucher alle Alarmglocken klingeln lassen.

„Ich kann nur alle Verbraucher davor warnen, auf allzu verlockende Renditeangebote zu fliegen“, betonte der Senator für Wirtschaft und Technologie, Norbert Meisner (CDU), gestern auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der Verbraucherzentrale Berlin e.V.

Es gebe keine wundersame Vermehrung des eigenen Vermögens, erklärte er und verwies auf die Renditeversprechen von häufig mehr als zehn Prozent, mit denen unseriöse Finanzdienstunternehmen locken.

Zunehmend versuchten Firmen mit dem Hinweis „Bankgarantie“ ihre utopischen Renditeversprechen zu erklären. Geworben wird damit, daß das Geld vieler Anleger in einem „Pool“ gesammelt werden müsse, um in einem Geschäft, das sonst nur Kreditinstitute untereinander führen, einsteigen zu können. In der Realität existieren solche Geschäfte jedoch überhaupt nicht.

Zahlreich sind die Methoden, leichtgläubigen Kunden das Geld aus der Tasche zu ziehen. Der Anstieg betrügerischer Geldanlageangebote und die daraus resultierenden Schäden in mehrstelliger Millionenhöhe gingen zunehmend zu Lasten von Bürgern in Ostdeutschland.

Dies hatte bereits im Februar 1993 durch Initiative der Senatsverwaltung für Wirtschaft und Technologie und der Verbraucherzentrale e.V. zur Gründung eines Arbeitskreises „Grauer Kapitalmarkt“ geführt, in dem neben dem Bankenverband, den Bundesaufsichtsämtern für das Kredit- und das Versicherungswesen und der Stiftung Warentest auch die Polizei vertreten ist.

Durch den Arbeitskreis sollten Maßnahmen zum Schutz der Verbraucher erarbeitet und umgesetzt und Möglichkeiten zur Verbesserung des Anlegerschutzes entwickelt werden. Darüber hinaus sollten neue Verbraucherschutzbestimmungen im Bereich des „Grauen Kapitalmarktes“ vorbereitet und Verbraucher durch gezielte Maßnahmen, wie zum Beispiel die Bekämpfung unlauterer Werbung, vor finanziellen Verlusten bewahrt werden.

Mit offenbar nur mäßigem Erfolg. Wie die Vorsitzende der Verbraucherschutzzentrale Berlin, Frau Dr. Thea Brünner, im Rahmen der Pressekonferenz erklärte, habe die Zahl der Schadensfälle geradezu „explosionsartig“ zugenommen. Die Menschen sind ihrer Auffassung nach zu unkritisch, und häufig beim Kauf einer Waschmaschine vorsichtiger als bei Geldanlagegeschäften.

Seit der Erstauflage der vom Verbraucherschutzbund seit vier Jahren immer wieder herausgegeben schwarzen Liste („Liste der unseriösen Geldanlageangebote“), habe sich die Anzahl der Schadensfälle verdoppelt. Die statistisch erfaßte Schadenssumme belaufe sich auf lediglich zwei Millionen Mark. Bei den Ermittlungsbehörden geht man aber von einer hohen Dunkelziffer aus, so daß sich der tatsächliche Verlust der rund achttausend geschädigten Verbraucher auf etwa 150 Millionen Mark belaufe.

„Deshalb ist Öffentlichkeit das Wichtigste“, sagte Dr. Andor Koritz, Leiter der Abteilung Wirtschaftsordnung der Senatsverwaltung für Wirtschaft und Technologie. „Wenn die Bürger erst mal zahlen, ist es in den seltesten Fällen möglich, noch etwas zu tun.“ Peter Lerch