Armut und Hunger „größte Feinde der Umwelt“

■ Mittelamerikanische Staaten gründen Allianz für eine „nachhaltige Entwicklung“

Managua (taz) – Für Maurice Strong, den Chef des Umweltgipfels von 1992, war es „der wichtigste Augenblick seit der Konferenz von Rio“. Denn erstmals nahm eine Gruppe von Ländern die Resolutionen des Umweltgipfels zum Anlaß für ein konkretes Programm. Am Mittwoch gründeten in Managua die Präsidenten Guatemalas, Honduras, Nicaraguas, El Salvadors, Costa Ricas und Panamas sowie ein Vertreter des Premiers von Belice eine „Allianz für die nachhaltige Entwicklung Zentralamerikas“, eine Vereinigung, die den Isthmus in eine ökologische Modellregion verwandeln soll. Als Ehrengast war US-Vizepräsident Gore geladen, und der bescheinigte den Zentralamerikanern, „in ihrem Denken dem Rest der Welt voraus“ zu sein, „weil diese Dinge nicht mehr nur theoretisch behandelt werden, sondern in einem praktischen Plan“.

Mittelamerika, das auf weniger als einem halben Prozent des Erdterritoriums nicht weniger als 12 Prozent der Artenvielfalt beherbergt, ist eine extrem bedrohte Region. Vom ursprünglichen Waldbestand ist gerade noch ein Drittel übrig, und Jahr für Jahr werden weitere 300.000 Hektar abgeholzt oder niedergebrannt. Die Bürgerkriege der vergangenen Jahrzehnte, systematisches Überfischen und der unkontrollierte Einsatz hochgiftiger Pflanzenschutzmittel haben Mittelamerika in ein ökologisches Krisengebiet verwandelt. Aktion tut also not. Der Aktionsplan der Staatschefs Mittelamerikas jedoch, der von der verantwortungsvollen Ausbeutung der Ressourcen über allgemeine Umwelterziehung bis hin zur Einbeziehung der Bürger in Diskussionen und Maßnahmen reicht, liest sich wie ein utopischer Roman. Denn, wie Maurice Strong anmerkte, zur nachhaltigen Entwicklung gehöre soziale Gerechtigkeit. Und davon kann in Zentralamerika, wo vier Prozent der Bevölkerung 70 Prozent des fruchtbaren Bodens kontrollieren und wo riesige Flächen für extensive Viehwirtschaft genutzt werden, auf lange Sicht nun mal keine Rede sein. Eine Agrarreform ist tabu. „Die größten Feinde der Umwelt sind Armut und Hunger“, hatte denn auch Nicaraguas Armeechef Humberto Ortega vor der Zeremonie festgestellt.

Daß Nicaraguas Präsidentin Chamorro ausgerechnet Al Gore eingeladen hatte, werten einige NGO-Vertreter als Zeichen dafür, daß das ökologische Schicksal der Region eng mit der Wirtschaftsmacht USA verknüpft werden soll – als neue Form der Intervention drohe der „Ökoimperialismus“. Ralf Leonhard