Mehr Geld, weniger Leistung?

■ Eltern empört über Kürzungen im Kindergarten-Bereich / Jugendsenatorin Rosi Raab schimpft : „Wer von Abbau spricht, lügt“ Von Kaija Kutter

Kinder und die Besserstellung der Familien spielte im Wahlkampf eine große Rolle. In der Hamburger Landespolitik, so bedauerten Elternsprecher dieser Tage, leider nicht. „Wir hatten gehofft, daß Scharping dem Voscherau sagt, das könnt ihr in Hamburg nicht machen“, sagt Andreas Simon von der „Elterninitiative Hamburger Kindergärten und Kindertagesheime“. Die Hoffnung trog.

Bereits seit zwei Jahren in der Debatte – und derzeit zur Beratung im Sozialausschuß – ist ein Gesetz zur Neustrukturierung der Kindergartengebühren. Simon: „Wir hoffen, daß die Bürgerschaft dagegen stimmt“. Denn im Unterschied zur alten Regelung werden relevante Kosten wie Miete nicht mehr berücksichtigt. Doppelverdienende Paare müssen mit Beiträgen zwischen 500 und 750 Mark rechnen.

Die Behörde hält entgegen, daß dieser Entwurf für die Hälfte der Eltern eine Verringerung der Beiträge bedeute und somit „sozial gerechter“ sei. Stimmt nicht, wettert Simon dagegen, im kommenden Jahr erwarte die Eltern „weniger Leistung für mehr Geld“.

Er meint das 9,3-Millionen-Mark-Sparpaket, das vergangenen Freitag mit den zwei Stimmen der Jugendsenatorin Raab bei der „Vereinigung der Kindertagesheime“ durchgesetzt wurde und das in den 180 Kindertagesheimen (KTH) des halbstaatlichen Trägers für Unruhe sorgt. Die dortige Arbeitnehmervertretung bezeichnete es als „schädigend“ für die Entwicklungschancen der Kinder. Erzieherinnen dürfen sich nicht äußern, Eltern organisieren Proteste: so wurden am Donnerstag die Faxgeräte politischer Entscheidungsträger blockiert, für Montag (morgen früh) ist eine Unterschriftenübergabe im Hamburger Rathaus geplant.

Konkret handelt es sich um Einschnitte, die – aus Elternsicht – mehr Streß für ErzieherInnen und mehr Enge für die Kinder bedeuten. So soll es künftig eine Krippenleiterin nur für Einrichtungen mit 130 Kindern geben. „Die Erzieherinnen in der Krippe sind allein körperlich so hart am arbeiten, daß ich mir nicht vorstellen kann, wie die den Bürokram nebenbei erledigen sollen“, sagt eine Mutter aus einem Altonaer KTH. Auch in übrigen Leitungsfunktionen wird gekürzt und durch die Vorverlegung des Spätdienstes täglich eine halbe Stunde „Kernbetreuungszeit“ gespart. Am schärfsten kritisiert wird die Umwandlung von 800 Ganztags- in Halbtagsplätze: Übertragen auf das Altonaer KTH bedeute dies, daß es nachmittags Gruppen mit 30 Kindern geben werde.

Jugendsenatorin Raab sieht sich absichtlich mißverstanden. Unter dem Titel „Die Abbau-Lüge“ wies sie gestern in einer Pressemitteilung darauf hin, daß die Zahl der Ganztagsplätze von derzeit 42.000 bis 1998 auf insgesamt 47.700 steigen werde: „Wer hier von Abbau spricht, lügt“. Die Umwandlung der 800 Plätze sei lediglich eine Anpassung an den veränderten Bedarf. Auch bei den übrigen Einschnitten handle es sich um „Anpassungen, die für freie Träger seit langem gelten“.

Eine Spirale: denn auch die Standards der freien Träger verschlechtern sich. Der Früh- und Spätdienst soll um 13 Prozent reduziert werden, die Gruppenbetreuung um 2,5 Prozent. Insgesamt werden hier 3,5 Millionen Mark gespart. Kürzungen, die bei Wohlfahrtsverbänden als kleineres Übel gelten, denn dafür blieb die offene Jugendarbeit verschont.