: Gertrude Stein auf Techno
■ DJeusen in Berlin – Teil 3: Puss in the Boots, die sich keiner Szene zugehörig fühlt
Puss in the Boots – der härteste Name, seit es Plattenlegerinnen gibt. Die Frau, die sich so nennt, ist vielleicht am ehesten den Weg der autonomen Freizeitgestaltung gegangen. Puss in the Boots ist die DJane, die die Frauen/Lesben- Parties der Stadt aufwühlt, die den Frauenabend im „Subversiv“ mitgestaltet, ein bis zwei Mal im Monat beim lesbisch/schwulen „SO 36“-Abend auflegt und im „SOX“ bei der Einführung des Frauentages ihre DJ-Premiere hatte. Cody, eine Freundin und schon länger DJane, hat sie damals gefragt, ob sie das nicht machen wolle. Das wollte sie und seitdem will sie immer mehr.
Anfänglich, sagt sie, war das Auflegen noch ein Interesse unter vielen, ein Job, der nicht gerade einen Großteil ihres Lebens bestimmte. Sie hatte sich noch nicht so ganz entschieden, DJane zu sein, aber je mehr sie darüber nachdachte, desto klarer wurde ihr, daß sie ihren Hauptberuf gefunden hatte.
Die komplette Ausrüstung dazu steht schon im Zimmer, das aussieht wie ein Cyber-Prinzessinnenschloß, mit einem kußroten Boden und Unterwassermalerei an den Wänden. Am Fenster stehen zwei Technics-Plattenspieler und ein Mischgerät. Hier kreiert sie ihre Specials und übt. Wenn Besuch kommt, legt sie gerne auf, „'ne halbe Stunde oder den ganzen Abend“. So also sehen die Salons der Neunziger aus – sicher wäre Gertrude Stein eine vorzügliche Techno-DJeuse geworden.
Puss in the Boots hatte eine Phase, in der sie sehr viel unterwegs war, durch die Clubs gezogen ist, was sie auch so richtig auf den House-Geschmack brachte; das ist jetzt anders, sie geht selten aus, geht lieber Platten kaufen. Das muß sie tun, auch wenn sie nicht die ganze Zeit als DJane beschäftigt ist: Bloß nicht den Überblick verlieren, denn schließlich würde sie ja gerne auch öfter als einmal die Woche auflegen. Nein, sie sieht keinen großen Unterschied zwischen Parties, die nur für Frauen sind und den schwul/lesbischen. Und da sie sich selbst nicht auf eine Musikrichtung spezialisieren oder beschränken will, hat sie auch keine Probleme mit unterschiedlichen Wünschen.
Sicher, manchmal nervt es dann aber doch, wenn nach ein paar Klängen House gleich jemand kommt und fordert: „Keinen Techno mehr!“ Vor allem, wo sie doch gar keinen gespielt hat (und wenn sie dann was Netteres auflegt, garantiert jemand dagegen wettert und „jetzt aber mal was hören will, was abgeht“.
Neben den festen Dates hatte sie in der „Reizbar“ und auch mal im „Elektro“ aufgelegt, ihr eigentlicher Traum ist aber der vom eigenen Club. „Das stelle ich mir einfach super vor. Dort würden dann immer ganz unterschiedliche DJs auflegen und ich würde es gut finden, wenn es verschiedene Tage für die unterschiedlichen Szenen geben würde, eben nicht nur für Frauen oder für Lesben/Schwule, einfach sehr unterschiedlich.“
Puss in the Boots scheint etwas gelangweilt zu sein vom kokonhaften Dasein der verschiedenen Clubs und Szenen der Stadt. Sie fühlt sich keiner Szene richtig zugehörig und sieht auch den Sinn in nächtelangem Rumstehen neben der DJ-Box nicht so richtig. Das Wichtigste am Auflegen ist ihr, daß sie selbst ihre Musik hören kann, und daß es spannend ist, auf die Reaktion der Leute zu achten. Es ist weniger die Macht, das Gefühl, deren Atmosphäre und Stimmung beeinflussen zu können, sondern mehr der Spaß daran, das, was einer selbst gefällt, anderen mitzuteilen. Allerdings findet sie, geht das nur, wenn man sich da reinarbeitet, wenn man an sich selbst arbeitet und übt.
Ohne die Plattenspieler zuhause kann sie sich das nicht vorstellen. Sie hat keine Lust, irgend etwas irgendwie zu machen, wenn schon, dann soll das richtig gut sein.
Das ist es auch, was sie an vielen Frauendiscos nicht verstehen kann: „daß da oft keinen Wert auf das Auflegen gelegt wird“. Für Puss in the Boots ist das DJ-Sein nichts besonderes, wenn das eine/r schon macht, sollte sie/er sich aber auch damit identifizieren. Daß sich DJs keine Mühe damit geben, kann sie „einfach nicht ab“.
Spannender aber, als Platten aufzulegen, findet sie es, Grenzbereiche auszuloten. Dazu zählen Projekte wie die Zusammenarbeit mit einer Poetry-Slam-Schreiberin. Bei dieser „Performance“ macht Puss in the Boots die DJane und soll ein Instrument spielen. Und die andere spricht eben ihre Poetry. Das ist ihr wichtig, „daß es weitergeht, daß sich das DJ-Sein erweitern läßt“. Und deswegen würde sie auch verdammt gerne ein Instrument lernen: „Geige oder Percussion, einfach weil das Töneerzeugen so prima ist.“
Da sie aber weder Geige noch Percussion spielen kann, macht sie das erst mal mit der Stimme, probiert beim Mixen zuhause aus, wie sich hier und da ein Ton, ein Geräusch, eine Stimme oder gar Gesang machen würde. Tja, kann man nur darauf hoffen, daß das klappt mit dem Club. Annette Weber
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen